Kurz vor Tagesanbruch startete die venezolanische Opposition am 30. April einen weiteren Versuch eines Militärputsches. Am Ende des Tages schien der dilettantisch durchgeführte Putschversuch gescheitert zu sein.
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Einer seiner Führer suchte Zuflucht in der spanischen Botschaft, 25 der beteiligten Soldaten beantragten Asyl in der brasilianischen Botschaft und Juan Guaidó versteckt sich oder ist auf der Flucht.
Der Putsch begann um 5.46 Uhr mit einer Videobotschaft von Guaidó, der sich am 24. Januar bei einer Straßenkundgebung selbst zum amtierenden Präsidenten ernannt hatte, aber sich seitdem nicht einen Zentimeter näher an den Präsidentenpalast Miraflores herangearbeitet hat. Im Video erschien er zusammen mit einer kleinen Gruppe von Soldaten vor dem Militärflugplatz La Carlota im Osten von Caracas. Ebenfalls anwesend war Leopoldo López, der Oppositionsführer, der wegen seiner Beteiligung an den tödlichen Krawallen im Jahr 2014 unter Hausarrest stand. Anscheinend war er von den Offizieren des Inlandsgeheimdienstes SEBIN, die für die Bewachung zuständig waren, freigelassen worden.
Die Botschaft von Guaidó war klar: „Ich stehe zu den wichtigsten Militäreinheiten unserer Streitkräfte und beginne mit der Endphase der 'Operation Freiheit'“. Dies war die letzte Schlacht gegen die angebliche „Usurpation“. Die Anwesenheit von López war dabei eine starke Stütze. Wie sich jedoch in den folgenden Stunden herausstellen sollte, war sein Anspruch, die Unterstützung der „wichtigsten Militäreinheiten“ zu haben, eine Lüge. Er hatte keine Kontrolle über militärische Einheiten oder Stützpunkte, keine kommandierenden Offiziere waren auf seiner Seite. Tatsächlich befand er sich trotz gegenteiliger Behauptungen nicht auf der Basis von La Carlota, sondern außerhalb des Geländes. Er hatte nicht die Kontrolle über Fernseh- oder Radiosender übernommen.
Guaidó rief die Menschen auf, landesweit auf die Straße zu gehen. Einige schlossen sich ihm im Osten von Caracas an und stießen mit der Nationalgarde zusammen, die den Flugplatz beschützte. Irgendwann schafften es Hunderte von Randalierern, darunter auch einige Soldaten, den Außenbereich zu durchbrechen, sie wurden aber mit Tränengassalven abgewehrt. Es war nicht das, was man von einem „richtigen“ Militärputsch erwarten würde.
Unterdessen hatten sich am anderen Ende von Caracas Tausende nach einem Aufruf von Präsident Nicolás Maduro auf Twitter kurz nach 10 Uhr vor dem Miraflores-Palast versammelt. Dort erklärte er, dass er die Kommandeure aller militärischen Einheiten kontaktiert habe und dass sie alle seiner Regierung gegenüber loyal seien. Einige hochrangige bolivarische Beamte hielten Reden, insbesondere Diosdado Cabello, aber ansonsten wurde die Bühne an Vertreter der chavistischen Linken und den Basisorganisationen übergeben, die nie an den offiziellen Demonstrationen teilnehmen. Die Stimmung war von Entschlossenheit geprägt, es herrschte ein Geist des Widerstands.
Unterstützung durch die Imperialisten
Natürlich beeilten sich die USA, den Staatsstreich in Venezuela mit Tweets und Erklärungen von Trump, Pompeo, Elliot Abrams, Marco Rubio u. a. zu unterstützen. Ihnen folgten die Präsidenten Brasiliens, Kolumbiens, Chiles und sogar des Europäischen Parlaments. Auch Almagro, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, schloss sich dem Chor an.
Im Lauf des Tages gaben Pompeo und Bolton alle möglichen Stellungnahmen und Unterstellungen von sich, um Guaidós Bemühungen zu unterstützen. Pompeo deutete an, dass hochrangige Beamte in Venezuela in Gesprächen mit den USA vereinbart hätten, Maduro aus seinem Amt zu entfernen. Bolton erwähnte ausdrücklich Verteidigungsminister Vladimir Padrino, den militärischen Spionageabwehrdienst (DGCIM) und den Chef der Präsidentengarde Ivan Hernandez sowie den Chef des Obersten Gerichtshofs Maikel Moreno. „Schlüsselpersonen des Regimes“ hätten in den letzten drei Monaten „mit der Opposition gesprochen“, sagte er und appellierte an sie, „ihre Verpflichtungen zur Erreichung des friedlichen Machtwechsels von der Maduro-Clique einzuhalten“. Später erklärte Bolton, dass Maduro ein Flugzeug hatte, das bereit war, ihn nach Kuba zu fliegen. Russland habe ihn allerdings davon abgehalten. Trotz all dieser Prahlerei und des psychologischen Drucks brachte Padrino in einer Fernsehansprache erneut seine Loyalität zur Regierung zum Ausdruck.
Vor Ort in Venezuela lief es für die Putschisten nicht gut. Einige der Soldaten von Guaidó nutzten die erste Gelegenheit, um überzulaufen und behaupteten, sie seien betrogen worden. Einer von ihnen erklärte, wie Offiziere ihnen in der SEBIN-Geheimdienstzentrale Helicoide Waffen ausgehändigt hätten mit dem Anweisung, einen Massengefängnisausbruch niederzuschlagen.
Nachdem er in La Carlota abgewiesen wurde und sich herausstellte, dass der Putsch im Sande verlief, versuchte Guaidó noch einen weiteren Trick. Er führte einige tausend seiner Anhänger, darunter einige der Soldaten, die am Morgen in seinem Video zu sehen waren, nach Westen zum Miraflores-Palast. Dies war ein Versuch, das Szenario des Staatsstreichs von 2002 zu wiederholen, als die Oppositionsführer mit ihren Anhängern zum Präsidentenpalast marschierten, wo sie von Scharfschützen angegriffen wurden, die angeheuert worden waren, um einen Vorwand für einen Militärputsch zu liefern. Wie Marx einmal sagte, wiederholt sich die Geschichte, zuerst als Tragödie und dann als Farce.
Guaidó hatte nicht die Hunderttausende, die die Opposition im April 2002 kommandierte und sein Siegeszug wurde von der Nationalgarde rasch blockiert. Er zog sich schnell nach Altamira im Osten von Caracas zurück.
Eine erbärmliche Niederlage
Als es in Caracas dunkel wurde, hatten sich Leopoldo López und seine Familie in der chilenischen Botschaft versteckt und 25 Soldaten baten in der brasilianischen Botschaft um Asyl. Es gab eine Ankündigung, dass Guaidó um 18 Uhr zur Nation sprechen würde, aber die Zeit kam und ging, und nichts geschah. Der Putsch scheint völlig im Sande verlaufen zu sein. Später zogen López und seine Familie in die spanische Botschaft.
US-Präsident Trump war angesichts dieser Nachrichten so frustriert, dass er noch mehr Drohungen gegen Kuba aussprach: „Wenn kubanische Truppen und Milizen nicht unverzüglich militärische und andere Operationen mit dem Ziel, Tod und Zerstörung der Verfassung von Venezuela herbeizuführen, einstellen, werden wir ein vollständiges Embargo mit Sanktionen auf höchstem Niveau gegen Kuba verhängen.“
Das ist völlig absurd. Der Grund, warum die Versuche der USA, in Venezuela einen „Regime Change“ durchzuführen, bisher gescheitert sind, liegt nicht an „Operationen“ der „kubanischen Truppen“, welche die „Zerstörung der Verfassung“ bewirken sollen, sondern an der Dummheit und Fehleinschätzung der venezolanischen Opposition und ihrer Herren in Washington, der Widerstandsfähigkeit und des antiimperialistischen Geistes eines großen Teils des venezolanischen Volkes und der Unterstützung, die Russland und China der Regierung gewähren. Tatsächlich verursachen die Sanktionen der USA, die Beschlagnahme venezolanischer Vermögenswerte und andere imperialistische Maßnahmen zweifellos Tod und Zerstörung!
Es ist klar, dass Trump der Auffassung ist, dass er durch die Ausübung von Druck auf die Kubanische Revolution in der Lage sein wird, der Regierung Maduro das Genick zu brechen. Die USA haben die Sanktionen gegen Kuba bereits verschärft, darunter erstmals eine Klausel im Helms-Burton-Gesetz, die es US-Bürgern erlaubt, Unternehmen in Drittländern zu verklagen, die Eigentum in Kuba nutzen, das während der Revolution enteignet wurde. Dies ist ein skandalöser Akt der imperialistischen Aggression, der sehr negative Auswirkungen auf die ohnehin schon zerbrechliche kubanische Wirtschaft haben kann.
Schließlich, um 20.24 Uhr, verbreitete Guaidó eine wahnwitzige Videonachricht auf Twitter. Anstatt das Scheitern seines Versuchs einzugestehen, kündigte er an: „Morgen [am 1. Mai] werden wir die Operation Freiheit fortsetzen.“ Er dankte den Streitkräften für ihre „Unterstützung“ und betonte, dass „Maduro keine Kontrolle über die Streitkräfte hat“.
Das Problem für Guaidó und Trump ist, dass sie den richtigen Zeitpunkt für den „Tag der Abrechnung“ bereits zweimal, am 24. Januar und 23. Februar, festgelegt haben und bei beiden Gelegenheiten gescheitert sind. Sehr bald, wenn sich die Situation heute nicht zu Gunsten von Guaidó entwickelt, werden wir feststellen, dass die Opposition unter gegenseitigen Schuldzuweisungen und Verrat zusammenbrechen wird. Die Oppositionsbasis, die hauptsächlich aus Angehörigen der Mittelschicht besteht, wird sich von ihren eigenen Führern wieder einmal enttäuscht und verraten fühlen, wie es bei den Guarimbas (gewalttätige Straßenproteste und Randale) 2014 und 2017 der Fall war.
Warum ist der Putsch fehlgeschlagen?
Der gestrige Putschversuch wirft eine Reihe von Fragen auf. Der stümperhafte Putsch in Venezuela ist praktisch zusammengebrochen. Leopoldo López sitzt in der chilenischen Botschaft. 25 Putschisten sind in der brasilianischen Botschaft. Guaidó ist auf der Flucht.
Tausende kamen heraus, um den Miraflores-Palast zu verteidigen.
Der Tag wirft einige unbeantwortete Fragen auf. Es handelte sich um einen völlig dilettantisch durchgeführten Versuch, den Putschisten gelang es nicht, auch nur einen Militärstützpunkt oder Truppenteile unter ihre Kontrolle zu bringen, sie erhielten keine Unterstützung von irgendwelchen Kommandeuren, es wurden keine Fernseh- oder Radiosender eingenommen. Der Putsch wurde mit Tränengas aufgelöst. Warum haben sie ihn also durchgeführt?
Haben sie Unterstützung erwartet, die nicht zustande kam? Glaubten sie an ihre eigenen Lügen über die Massenunterstützung durch die Bevölkerung und eine Armee, die bereit war zu zerbrechen? Dachten sie, dass eine solche Aktion ausreichen würde, um den Funken zu entzünden? War es eine reine Verzweiflungstat angesichts ihres mangelnden Erfolgs?
Die Regierung ihrerseits scheint sehr unentschlossen gehandelt zu haben. Über 15 Stunden gab es keine Fernsehansprache von Maduro, keinen Einsatz der Armee, um den Putsch zu zerschlagen, keine hochrangigen Regierungsbeamten bei der Kundgebung am Miraflores. War es ein Versuch, Blutvergießen in einem offenen militärischen Konflikt zu verhindern, wie Maduro in seiner Fernsehansprache gestern Abend argumentierte? War sich die Regierung nicht bewusst, wie weit die Verschwörung ging? War sie sich nicht sicher, ob sie sich auf die Militäreinheiten verlassen konnte, um sie gegen den Putsch einzusetzen?
Einige sagen, dass der Putsch eine hochrangige Unterstützung von SEBIN, DGCIM und anderen Geheimdiensteinheiten hatte, aber vorzeitig gestartet worden sei. Er war für den 2. Mai geplant, nach den geplanten Oppositionskundgebungen am 1. Mai. Dies würde die heutigen etwas bizarren Ereignisse erklären, und es wäre ein beunruhigendes Zeichen für die Zukunft, da es bedeuten würde, dass Militärkommandanten beteiligt waren, aber in letzter Minute zurückschreckten. Soweit wir wissen, gab es Elemente in der SEBIN, die am Putsch beteiligt waren. Einige der teilnehmenden Soldaten erklärten, dass sie in der SEBIN-Zentrale Waffen erhalten hätten. Anscheinend wurde SEBIN-Direktor Manuel Christopher Figuera von seiner Position entfernt und verhaftet.
Wir haben immer wieder betont, dass der Kampf gegen den Putsch nicht den Generälen der Armee überlassen werden darf. Sie haben ihre eigenen Interessen, die sie im Zweifelsfall verteidigen werden. Solange sie denken, dass diese am besten von der Regierung Maduro verteidigt werden, werden sie loyal bleiben. Wenn sie glauben, dass diese Regierung untergeht und nicht mehr in der Lage ist, ihre Interessen kurz-, mittel- und langfristig zu sichern, werden sie versuchen zu intervenieren.
Die Fortsetzung der durch Sanktionen verschärften Wirtschaftskrise könnte zusammen mit dem internationalen Druck zu einem bestimmten Zeitpunkt die Schlüsselpersonen innerhalb der Streitkräfte dazu bringen, ihre eigene Haut durch die Amtsenthebung von Maduro retten zu wollen.
Noch immer ist die Situation nicht vollständig unter Kontrolle. Guaidó hat einen unmittelbaren Putschversuch mit Truppen geführt und ist noch nicht verhaftet worden. López wurde auch nicht verhaftet und bleibt frei, um sich von einer Botschaft zur nächsten zu begeben.
Die IMT und die venezolanischen Genossinnen und Genossen von Lucha de Clases in Venezuela argumentieren seit Januar, dass Guaidó verhaftet, die Nationalversammlung aufgelöst und energische Maßnahmen gegen die Putschisten ergriffen werden sollten, einschließlich der Bewaffnung und des weiteren Aufbaus der Milizen und der Enteignung der Putschisten und des Imperialismus. Darüber hinaus haben wir uns dagegen ausgesprochen, Leopoldo López aus dem Gefängnis in den Hausarrest zu bringen. Die gestrigen Ereignisse sind ein weiterer Beweis dafür, dass wir mit dieser Position Recht hatten.
Heute ist der 1. Mai, und es wird Demonstrationen der Opposition und der Chavistas in Caracas und ganz Venezuela geben. Die Tatsache, dass Washingtons Putschversuche bisher erfolglos geblieben sind, bedeutet nicht, dass sie ihre Ziele aufgeben werden. Gestern veröffentlichte Yahoo News einen Bericht über den Vorschlag der privaten Söldnerfirma Blackwater, eine 5.000 Mann starke Söldnerarmee zur Intervention in Venezuela zu schaffen. US-Sanktionen und die Beschlagnahmung venezolanischer Vermögenswerte haben einen lähmenden Einfluss auf eine Wirtschaft, die bereits durch fünf Jahre Rezession geschwächt ist.
Unsere Pflicht besteht darin, dieser imperialistischen Aggression entgegenzutreten, wie wir es seit Beginn des letzten Versuchs am 24. Januar immer wieder getan haben. Gleichzeitig müssen wir auf die einzigen möglichen Methoden hinweisen, die den Sieg über die Konterrevolution garantieren können. Genossinnen und Genossen von Lucha de Clases waren gestern vor dem Miraflores-Palast. In einer Erklärung schlugen sie die folgenden Parolen vor: Guaidó einsperren, die Nationalversammlung auflösen, die bolivarischen Milizen stärken und ausweiten, auf die Beschlagnahmung von Vermögenswerten durch Enteignung imperialistischer multinationaler Konzerne reagieren, die Bourgeoisie enteignen, Arbeiterkontrolle über die Produktion, nieder mit der Bürokratie, die Revolution mit einer Organisation von unten zu Ende führen!