Wir veröffentlichen hier einen dringenden Aufruf zu Internationaler Solidarität mit der Bolivarischen Revolution
Die venezolanische Opposition steigert ihre Kampagne mit einer „unabhängigen Volksbefragung“ am Sonntag, dem 16. Juli. Drei Fragen werden in der Volksbefragung gestellt: zur Legitimität der verfassungsgebenden Versammlung der Regierung, zur Notwendigkeit eines Eingriffs durch die Armee, um die Regierung zu entfernen und zur Bildung einer sogenannten „Regierung der nationalen Einheit.“ Die Opposition hat angekündigt, die Volksbefragung am 16. Juli sei die Stunde Null für landesweite, permanente und unbegrenzte Straßenblockaden (Trancazo) bis die „Diktatur gestürzt“ sei.
Das Ziel ist klar: die Regierung von Nicolas Maduro zu stürzen. Die Opposition hat sich bereits geweigert, an den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung am 30. Juli teilzunehmen. Doch jetzt ist die erste Frage ihrer Befragung, ob die Bevölkerung diese Versammlung „ablehnt und nicht anerkennt.“ Die zweite Frage „fordert die Streitkräfte und alle Staatsangestellten auf, die Entscheidungen des Parlaments anzuerkennen.“ Das ist ein klarer Aufruf an die Armee, gegen den Präsidenten zu meutern.
Die dritte Frage schlussendlich ruft dazu auf, „die Staatsgewalt zu erneuern“ (auch wenn ihre Amtszeit noch nicht abgelaufen ist), „freie und transparente Wahlen“ abzuhalten (ohne klarzustellen, für welche Ämter: die Räte, den Präsidenten, die Regionalen und Nationalen Parlamente?) und schlussendlich zur „Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen.“ (obwohl nicht geklärt ist, wer eine solche Regierung bilden würde, oder für wie lange sie im Amt wäre).
Es ist ironisch, oder genauer gesagt zynisch, dass die Opposition jetzt das Banner der Bolivarischen Verfassung benutzt, die sie damals ablehnten, gegen die sie seither waren und welche sie während ihrem Staatsstreich im April 2002 außer Kraft setzten.
Tatsächlich ruft die Opposition dazu auf, die gesamte Staatsmacht aufzulösen, außer jene Teile, die sie bereits kontrollieren, damit diese die Macht mit Gewalt übernehmen können. Dies ist ihr Versuch, den Konflikt zwischen den staatlichen Institutionen zu ihren Gunsten zu lösen. Dieses Vorgehen erinnert stark an den Putsch, den sie im April 2002 ausgeführt haben. Damals haben die Streitkräfte interveniert, um den Präsidenten Hugo Chavez zu entfernen. Die Opposition bildete eine sogenannte „Regierung der nationalen Einheit“ unter der Präsidentschaft von Pedro Carmona, dem Vorsitzenden des Unternehmerverbands. Eines der wichtigsten Ziele der Opposition mit dieser Umfrage ist es, ihrer neuen „Regierung“ eine gewisse Legitimität zu geben, um danach international anerkannt zu werden.
Um ihren Aufstandsvorbereitungen mehr Gewicht zu geben, reisen eine Reihe von rechten ehemaligen Präsidenten verschiedener lateinamerikanischer Länder nach Venezuela. Das soll dem Coup den Anschein von Legitimität geben. Darunter befinden sich Andrés Pastrana aus Kolumbien, Laura Chinchilla aus Costa Rica und Tuto Quiroga aus Bolivien. Offensichtlich ist ihr Gerede von „Demokratie“ und „Menschenrechten“ eine Farce.
Pastarana überwachte als Präsident die Umsetzung des „Plan Colombia“, bei dem Morde und Menschenrechtsverletzungen durch kolumbianische und US-amerikanische Truppen verübt wurden – unter dem Vorwand des „Kriegs gegen Drogen.“ Chinchilla ist eine Gegnerin grundlegender Menschenrechte wie der gleichgeschlechtlichen Ehe, Abtreibung und der „Pille danach.“ Zudem war sie während ihrer Amtszeit in Costa Rica in Korruptionsskandale verwickelt. Quiroga ist ein rechter Politiker aus Bolivien. Er war Vizepräsident während der brutalen Repression gegen den Kampf um Wasser als öffentliches Gut in Cochabamba. Außerdem überwachte er den Versuch der USA, die Coca-Plantagen zu vernichten, bei dem die bäuerliche Bevölkerung massiv unterdrückt wurde. Schlussendlich Vincente Fox, ebenfalls ein rechter Politiker, der in zahlreiche Korruptionsskandale verwickelt war. Nicht zuletzt unterdrückte er auch die Bevölkerung von Atenco, die sich dem Bau eines neuen Flughafens und ihrer Zwangsumsiedlung widersetze. Jegliches Gerede von Menschenrechten und Demokratie von diesen korrupten und repressiven Politikern ist ein beleidigender Witz.
Natürlich wird dieser versuchte Staatsstreich von den internationalen Medien gedeckt, ebenso wie von den Regierungen in Washington, Madrid und Bogota.
Die venezolanische Opposition hat immer schnell „Betrug!“ gerufen, wenn sie an der Urne unterlag. Doch der Organisation ihrer Volksbefragung mangelt es an grundlegendster Gewährleistung. Der Oppositionsführer Negal Morales behauptete, dass „mehr als 14 Millionen Menschen teilnehmen“ werden, was offensichtlich physisch unmöglich ist. Erstens: bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2013 gaben insgesamt 15 Millionen Menschen eine Stimme ab, davon 7.2 Millionen für den Kandidaten der Opposition. Wenn nun über 14 Millionen Menschen an dieser Abstimmung teilnehmen würden, die nur von der Opposition organisiert wird, würde das bedeuten, dass ALLE UnterstützerInnen der bolivarischen Revolution die Seiten gewechselt hätten. Das ist natürlich absurd. Bei den Parlamentswahlen im Dezember 2015 gaben 14.5 Millionen Menschen ihre Stimme ab, davon 7.7 Millionen für die Opposition.
So oder so, die Opposition spricht von 1900 Wahlbüros im ganzen Land, welche von 7 Uhr früh bis um 4 Uhr nachmittags geöffnet seien, insgesamt also neun Stunden. Das würde bedeuten, dass über 800 Menschen jede Stunde ihre Stimme abgeben, oder 13 Menschen pro Minute bzw. eine Person alle vier Sekunden. Nur so könnten wirklich 14 Millionen Menschen eine Stimme abgeben. Aber Genauigkeit, eine konsistente Haltung und Fakten waren noch nie die Stärke der venezolanischen Opposition.
Negal Morales selbst gab zu, dass es keine Möglichkeit gibt, mehrfache Stimmabgabe zu verhindern. Er sagte, den Stimmenden würde kein Wahlbüro zugeteilt und dass dies zu mehrfacher Stimmabgabe führen könnte. Er appellierte an das „gute Gewissen der Bevölkerung, dies nicht zu tun.“ Um diese Farce noch zu vergrößern fügte er hinzu, dass die Wahlbücher unmittelbar nach der Auszählung verbrannt würden. Hier sieht man, an welcher Art von Demokratie die Opposition interessiert ist: für sie zählen die Resultate, die sie verkündet, nicht was die Menschen wählen oder wie viele tatsächlich eine Stimme abgeben.
Wir können uns sicher sein, dass die venezolanische Opposition noch in der selben Nacht einen massiven Sieg verkünden wird, bei dem angeblich Millionen gegen Maduros „Diktatur“ gestimmt hätten. Ihre ganze Kampagne basiert auf ihrer uralten, antikommunistischen Hysterie. (Nach ihren Vorstellungen werde die verfassungsgebende Versammlung in ein „Kubanisches System“ führen und da die „Castro-Kommunisten“ kleine Kinder zum Frühstück essen, ist dies natürlich etwas schlimmes. Die verfassungsgebende Versammlung würde dazu dienen das Privateigentum aufzuheben, (nicht nur an Produktionsmitteln, sondern insbesondere all DEIN persönliches Eigentum.) Schlussendlich würde die verfassungsgebende Versammlung „Maduros Diktatur konsolidieren“ – ein weiteres Mal…
Auf Grundlage dieses „massiven Erfolgs“ hat die Opposition versprochen, ihren „Kampf zu verstärken.“ Sie beschreiben dies als die „landesweite Stunde Null des Aufstands der Nation.“ Der Vizepräsident des Parlaments und Führer der Opposition Freddy Guevara verspricht, dass ab dem 17. Juli der „zivile Ungehorsam der Massen mit stärkeren Mitteln geführt wird“, inklusive „Straßensperren, einem landesweiten Streik, der Übernahme von Caracas und einer unbegrenzten Straßenbesetzung.“ Er fügte hinzu, dass wenn dies „diese Verrückten nicht zur Vernunft bringt“, „die Armee ihre Unterstützung verweigern“ müsse.
Die Aktionen der Opposition zum Sturz der Regierung dauern nun schon über hundert Tage an und beinhalteten gewalttätige Aufstände, Gewehrschüsse auf Polizisten, unschuldige Passanten und Chavistas (Anm. UnterstützerInnen der Regierung), Lynchjustiz und Verbrennungen von – vermuteten oder tatsächlichen – Chavistas. Sie verwendeten selbst gemachte Sprengstoffe und Raketenwerfer, ferngesteuerte Bomben, griffen mit einem Polizeihelikopter öffentliche Gebäude an, zündeten Schulen, Busse, Spitäler und Sozialbauten an. Man wundert sich, was Guevara meint, wenn er von „zunehmendem Druck“ und „drastischeren Maßnahmen“ spricht!
Die Situation in Venezuela ist deshalb sehr ernst und dringlich. Die nächsten Stunden könnten entscheidend sein.
Die reaktionäre Opposition repräsentiert die Interessen der Oligarchie (die Banken, Kapitalisten und Landbesitzer) und des Imperialismus, welcher hinter ihr steht. Wenn sie an die Macht kämen, würden sie ein massives Sparpaket auf Kosten der venezolanischen ArbeiterInnen und der Armen umsetzen. Sie würden brutale Einschnitte in den öffentlichen Ausgaben vornehmen, die bolivarischen Sozialprogramme beenden, die Sozialbauten, die enteigneten Firmen und die wiederverstaatlichten Güter privatisieren. Sie würden die Arbeitsrechte und den Arbeitsschutz etc. aufheben. Gleichzeitig würden sie die politischen Institutionen, Ministerien und staatlichen Unternehmen säubern. Sie würden zu einem Generalangriff auf die demokratischen Rechte ansetzen und den Lynchmob auf linke AktivistInnen und ihre Organisationen hetzen.
Aus diesem Grund sind wir gegen ihre reaktionäre Kampagne und sind solidarisch mit der arbeitenden Bevölkerung von Venezuela.
Wie wir bereits erklärt haben bedeutet dies nicht, dass wir die versöhnlerische Politik von Maduros Regierung unterstützen, welche die Reaktion nicht effektiv bekämpfen. Sie macht konstant Zugeständnisse an die Kapitalistenklasse, was die Unterstützung der Bolivarischen Bewegung untergräbt. Selbst jetzt, während der Kampagne für die verfassungsgebende Versammlung, riefen die „patriotischen Geschäftsleute“ dazu auf, die enteigneten Firmen zu privatisieren und die Versammlung dazu zu nutzen, das Privateigentum stärker zu verankern. Dies ist die Hauptstütze von Oscar Schemels Kampagne, mit voller Unterstützung von Geschäftsmann und Minister Perez Abad, der lange darüber in den staatlichen Medien sprechen konnte. Dieser Weg führt direkt ins Verderben.
Der einzige Weg, die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen, ist die revolutionäre Selbstorganisierung und -aktivität der arbeitenden Massen, Bauern und verarmten Schichten zu entfesseln. Was dann möglich ist, zeigt beispielsweise die Kampagne von Gruppen wie der revolutionären Strömung Bolivar Zamora (welche Selbstverteidigungsbrigaden organisiert) oder der Fuerza Patriotica Alexis Vive (welche eine neue revolutionäre Führung fordert).
Die Offensive der Oligarchie muss besiegt werden, aber dies kann nur mit revolutionären Mitteln geschehen.
Die Pflicht von Revolutionären und wirklichen Demokraten ist, die Aufstandspläne der reaktionären Opposition zurückzuweisen und die Errungenschaften der bolivarischen Revolution international zu verteidigen. Wer hier eine „neutrale“ Haltung bezieht, steht objektiv auf der Seite der Konterrevolution. Wir müssen eine unermüdliche Kampagne gegen die Lügen der internationalen Medien führen, um unsere eigenen imperialistischen Regierungen anzuprangern, welche die venezolanische Reaktion im Namen der „Demokratie“ und „Menschenrechte“ unterstützen. Gleichzeitig müssen wir jene in Venezuela unterstützen und ermutigen, welche die richtigen revolutionären Schlussfolgerungen aus dieser Krise zu ziehen beginnen: Wir können nicht eine halbe Revolution machen.