Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Protestwelle in nur ganz kurzer Zeit organisiert wurde. Die von der ÖVP-nahen Schülerunion dominierte BSV hat nach einem faulen Kompromiss versucht den Schulstreik von oben abzusagen. SU steht nun in den Augen der Mehrheit der SchülerInnen für „Streikbrecherunion“.
Abgesehen von Vorarlberg, wo die SJ ebenfalls schon seit 2 Wochen auf den 12. Dezember hinmobilisierte, gab es somit keine Organisation, die wirklich den Streik vorbereitete. Die rote Schülerorganisation AKS unterstützte anfangs die Proteste gegen die neue Zentralmatura gar nicht (in Vorarlberg und Linz sprachen sie sich letzte Woche noch offen dagegen aus!), die diversen linken Kleingruppen sind an den Schulen zu schwach verankert, um wirklich große Proteste zu organisieren. Das zeigte sich sehr gut am sehr schwach besuchten Schulstreik in Wien am 6. Dezember.
Doch der Unmut über die Einigung, die für die SchülerInnen kaum Verbesserungen brachte, bahnte sich einen Weg nach oben. Auf Facebook äußerte sich der Unmut lautstark. Die Schülerunion versuchte mit Unterstützung der Medien diese Stimmung im Keim zu ersticken und arbeitete gezielt gegen den Streik (z.B. indem sie mit plumpem Antikommunismus die SchülerInnen verunsicherte). Der Streikaufruf für Wien durch einzelne SchülerInnen erzielte jedoch binnen Stunden eine gewaltige Wirkung, und es war schnell klar, dass die Bereitschaft für einen Streik ungebrochen ist. Es war diese Dynamik, die auch die diversen Organisationen auf den fahrenden Zug aufspringen ließ. Sogar die AKS änderte jetzt endlich ihre Meinung und rief zum Streik auf.
Neben Vorarlberg und Wien organisierten SchülerInnen auch in St.Veit (Kärnten) und Salzburg spontan Demos. Als die AKS dann am Mittwoch auch noch in Innsbruck und Linz den Streik ausrief, war de facto eine bundesweite Streikbewegung im Gang.
Die Massenmedien, die vor einer Woche dem Thema und der Streikdrohung noch großen Platz einräumten, verschwiegen nach der Einigung zwischen BSV und Ministerium plötzlich die Proteste. Kein Sterbenswörtchen war von ihnen zu hören. Doch die Medien brauchte es nicht mehr. Über die sozialen Medien verbreiteten sich die Streikaufrufe wie ein Lauffeuer. In den Schulen hingegen arbeiteten die Schulsprecher der Schülerunion und viele Direktoren bewusst gegen den Streik. Die Information wurde gestreut, der Streik sei abgesagt, die Demos nicht angemeldet. Wer zum Streik gehen wollte, dem wurde mit Disziplinarmaßnahmen gedroht. In Vorarlberg ging dies so weit, dass der Direktor eines Gymnasiums die Schultore versperrte und mit Polizei bewachen ließ! Aber auch diese Repression und Desinformationskampagne wirkte nur sehr eingeschränkt und die Bewegung war stärker. Die Beteiligung an den Demonstrationen war groß: 8000 gingen in Linz, 5000 in Wien, 2000 in Innsbruck und Dornbirn, Hunderte in Salzburg und Klagenfurt (wo übrigens die Polizei die Demo auflöste, „weil schon eine Massendynamik mit einem höheren Aggressionspotential vorhanden gewesen sei“) auf die Straße. Die explosive Stimmung erinnerte in vielen Zügen an die riesige Demo 2009, als die SchülerInnen für den Erhalt der schulautonomen Tage streikten.
Wir haben in den letzten Tagen Großes auf die Beine gestellt. Stellen wir uns nur vor, was möglich wäre, wenn der Streik von vornherein noch besser organisiert worden wäre. Schon sind in mehreren Städten (Dornbirn, Innsbruck, Wels, Steyr) solche regionale AktivistInnenkonferenzen oder Streikplenas geplant. Auf einer solchen Konferenz kann auch die weitere Strategie für die Bewegung demokratisch festgelegt werden. Zu diesem Zweck sollten sich an den Schulen die SchülerInnen, die die Bewegung aktiv unterstützen und für einen weiteren Streik mobilisieren wollen, auch zu Streikkomitees zusammenschließen.
Die AKS hat jetzt eine ganz besondere Verantwortung. Sie hat mit ihrem Aufruf dafür gesorgt, dass sich die Bewegung in ganz Österreich ausgeweitet hat. Sie tut dies nicht zuletzt, um den Einfluss der Schülerunion zurückzudrängen. Doch jetzt hat sie Verantwortung für eine Bewegung übernommen, die sie anfangs ablehnte und an deren Spitze sie plötzlich steht. Und man kann sich sicher sein, dass die SPÖ, die jetzt auch das Unterrichtsministerium stellt Druck ausüben wird. Das kann sich spätestens wenn die AKS Verhandlungen führt, ähnlich auswirken wie vergangene Woche bei der Schülerunion. Es ist offensichtlich, dass Faymann & Co. zu ihrem Amtsantritt keine weiteren Proteste wollen.
Doch die Tatsache, dass der Kampf gegen diese Zentralmatura mit der Regierungsbildung zusammenfällt, erhöht unsere Chancen. 2000 musste die schwarz-blaue Regierung unterirdisch vom Bundeskanzleramt zur Angelobung in die Hofburg gehen. Das könnte heuer auch der Regierung Faymann-Spindelegger passieren. Die Stimmung unter den SchülerInnen ist zweifelsohne so aufgeheizt, dass ein weiterer Streiktag möglich ist. Viele SchülerInnen haben das Bewusstsein, dass man noch einmal auf die Straße gehen muss, um seine Ziele zu erreichen. In Vorarlberg hat das Streikplenum nach der heutigen Demo alle Schülerorganisationen und Lehrergewerkschaften aufgefordert, für den 17. Dezember einen bundesweiten Bildungsstreiktag zu organisieren!
Heute haben wir gezeigt, dass wir stark genug sind, um unsere Interessen durchzusetzen und uns die Regierung ernst nehmen muss. Wir sollten dies als Startschuss für eine starke Bewegung für eine echte Bildungsreform verstehen. Die neue Regierung hat für das Bildungssystem weiterhin nur Sparpakete zu bieten (siehe das neue LehrerInnendienstrecht). In Vorarlberg sind heute schon viele LehrerInnen mit auf die Demo gegangen. In den nächsten Tagen müssen wir darauf hinarbeiten, dass der nächste Streik ein gemeinsamer Kampf von SchülerInnen und LehrerInnen wird.
Das Ministerium hat nach der heutigen Demo in Wien zu ersten Gesprächen geladen. Doch dabei hat sich gezeigt, dass die Bewegung den Druck weiter erhöhen muss. Vor allem wollte das Ministerium nur mit der offiziellen BSV echte Verhandlungen führen. Die Forderung, dass die Verhandlungen nicht mehr hinter verschlossenen Türen geführt werden dürfen und demokratisch gewählte VertreterInnen der Bewegung zu den Verhandlungen hinzugezogen werden, ist jetzt zentral.
In Wien gibt es auch schon den Aufruf bis Montag Mittag an den Schulen VertreterInnen zu wählen. Das ist genau der richtige Schritt. Damit aber auch die SchülerInnen aus den anderen Bundesländern bei diesen Verhandlungen repräsentiert sind, schlagen wir vor, dass eine bundesweite Delegiertenkonferenz abgehalten wird, wo ein Verhandlungsteam gewählt wird.
Dieses Verhandlungsteam, das der Bewegung rechenschaftspflichtig sein muss, soll dann mit dem Ministerium öffentliche Verhandlungen führen.
Streikbericht einer Schülerin aus Vorarlberg
Heute morgen hörte man bereits, dass die öffentlichen Verkehrsmittel überfüllt waren, die Busse, die Züge. Unser Ziel war der Dornbirner Bahnhof. Dort angekommen versammelten sich Massen von mindestens 2.000 SchülerInnen auf dem Busbahnhof, um gebündelt um 10 Uhr loszumaschieren. Die Stimmung war unglaublich, durch ganze 5 Megaphone hörte man unsere Protestsprüche gegen das neue Lehrerdienstrecht und die Zentralmatura. Die seit langem aufgebrachte Schülergemeinschaft brachte ihre ganzen Emotionen, die in ihnen brausten endlich zum Ausdruck, mit Sprüchen wie 'Zentralmatura hahaha, Bildung ist für alle da' oder 'wir sind hier, wir sind laut weil man uns die Bildung klaut', auch wurden heftig die 4 Transparente und 50 SJ-¬Flaggen geschwungen.
Beim Zwischenstopp vor dem BG Dornbirn wurden mit die SchülerInnen lautstark aufgefordert beim Streik mitzumachen. Leider schlug dieser Versuch fehl, da der Direktor seine SchülerInnen einschloss und Polizeibeamte vor Klassenzimmern und der Schule positioniert hatte. Die Tore waren verriegelt, nicht einmal mehr den Schülerinnen des BG Dornbirn war es möglich in die verbarrikadierte Schule zu kommen.
Trotzdem ging es mit einem wahnsinnigen Elan und unglaublicher Motivation weiter zum Kulturhauspark, wo alle SchülerInnen ihre eigene Meinung auf der Kundgebung lauthals bekannt gaben. Die riesige Schar von über 2.0000 aufgebrachten SchülerInnen war bis zum Schluss dabei. Alle vertraten ihre Meinung und stimmten fast einstimmig jeder einzelnen Rede zu. Wir trotzten der bitteren Kälte, sie war uns egal, denn wir wollen nicht, dass unsere Bildung unter den derzeitigen Politikern leiden muss und unsere Meinungen dürfen nicht totgeschwiegen werden! Nach dem der offizielle Teil der Schülerdemo beendet war, zogen trotz der eisigen Kälte viele Begeisterte noch weiter, um unsere LehrerInnen zu unterstützen und ihnen unsere Solidarität zu zeigen.
Auf dem Plenum im Schlachthauscafe waren trotz totaler Übermüdung und riesigem Hunger noch 20 Leute dabei. Wir beschlossen einstimmig die untenstehende Resolution.
Fabienne Riedmann, Streikkomittee der HLW Marienberg
Resolution: An alle Schülerinnen und Schüler Vorarlbergs!
Am Schulstreiktag haben weit über 2000 Schülerinnen und Schüler in Dornbirn für ihre Rechte demonstriert.
Wir haben deutlich gemacht, dass wir diese Zentralmatura nicht akzeptieren!
Wir haben deutlich gemacht, dass wir keine Einsparungen im Bildungssystem akzeptieren!
Wir haben gezeigt, dass wir selbst für unsere Rechte kämpfen können!
Wir haben aber auch gesehen, dass viele Schüler eingeschüchtert wurden. An verschiedenen Schulen wurde gesagt: Wenn ihr streikt bekommt ihr Geldstrafen, werdet suspendiert oder fliegt sogar von der Schule. Das stimmt nicht und kann nicht akzeptiert werden! Dagegen werden wir uns wehren!
In ganz Österreich gab es heute Schülerdemonstrationen. Die Lehrer haben heute gestreikt. Damit wir unsere Ziele erreichen können, müssen alle Proteste im Bildungssystem (Schülerstreiks, Lehrerstreiks, in den einzelnen Bundesländern) zu einem großen Ganzen zusammengefasst werden.
Nur gemeinsam sind wir stark!
Deswegen hat das Vorarlberger Schulstreikplenum im Anschluss an die Demonstration folgendes beschlossen:
- Es wird am Samstag, den 14.12. um 13.00 Uhr im Kulturcafé Schlachthaus in Dornbirn eine Vorarlbergweite Schülerstreikkonferenz stattfinden. Schickt Delegierte aus allen Klassen und Schulen, beteiligt euch selbst, so dass wir auf breiter Basis über die Ziele und nächsten Schritte der Bewegung diskutieren können.
- Wir rufen alle Organisatoren der Schülerstreiks in den anderen Bundesländern, alle Schülerorganisationen und Lehrergewerkschaften auf, dass nächste Woche ein bundesweiter Bildungsstreiktag durchgeführt wird. Wir werden diesen Termin für Vorarlberg auf der Schülerstreikkonferenz diskutieren.
Geld für Bildung statt für Banken!