Über 60 Menschen kamen am Samstag (4.11.) in Wiesbaden auf Einladung der Redaktion der funke zusammen, um den 100-jährigen Jahrestag der Russischen Revolution zu diskutieren und zu feiern. In drei Referaten und anschließenden Diskussionen wurden die Ereignisse in Russland vor 100 Jahren, die Revolution, der Aufstieg und Fall des Stalinismus und die Situation in Russland heute skizziert und hinterher diskutiert.
Erfreulich war das starke Interesse vieler Jugendlicher.
Eines wurde auch dieses Mal wieder klar: Obwohl die Russische Revolution schon 100 Jahre zurückliegt, reden wir, wenn wir die Oktoberrevolution reden, nicht über irgendwelche weit zurückliegenden historischen Ereignisse, nicht über verstaubte Knochen in einem Museum, sondern faktisch über die Situation hier und jetzt! Wenn MarxistInnen davon reden, dass die Oktoberrevolution das größte Ereignis der bisherigen Menschheitsgeschichte ist, werden sie oft schief angesehen. Aber das Besondere an der Oktoberrevolution ist, dass erstmals in der Geschichte die Unterdrückten nicht nur gekämpft, sondern gewonnen haben! Die Oktoberrevolution und die Epoche danach haben bewiesen, dass es möglich ist, Kapitalisten, Bankiers und Großgrundbesitzer zu entmachten und eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ohne Kapitalismus in Angriff zu nehmen. Und das nicht in der Sprache der Dialektik oder der drei Bände des Kapitals, sondern in der Sprache von Stahl, Zement und Elektrizität.
Trotz der stalinistischen Konterrevolution, die nur über die Leichen von vielen tausend bolschewistischen Revolutionären zur Macht kommen konnte, hat die staatliche Planwirtschaft später Erstaunliches geleistet: Russland schaffte in nur 30 Jahren den Aufstieg vom rückschrittlichsten Land Europas zu einer Weltmacht, die unter riesigen Opfern den Hitlerfaschismus niederrang und nach dem Zweiten Weltkrieg zur Supermacht wurde.
Doch der Untergang der stalinistischen Bürokratie und die Restauration des Kapitalismus kamen für revolutionäre Sozialisten nicht überraschend. Denn wie Trotzki erklärte, braucht eine sozialistische Wirtschaft die Arbeiterdemokratie genauso wie der menschliche Körper Sauerstoff zum Leben braucht. Anstatt die Produktion zum Wohle der Gesellschaft zu planen, war die bürokratische Kaste in der UdSSR vor allem darauf bedacht, ihre eigenen Privilegien auszubauen. Und in letzter Konsequenz hieß das die Einführung des Privateigentums an Produktionsmitteln. Es ist vielsagend, dass die heutige russische Oligarchie zum Großteil aus ehemaligen Funktionären der früheren Kommunistischen Partei KPdSU besteht. Die Zerschlagung der staatlich geplanten Wirtschaft und die Einführung des Kapitalismus in Russland führten in kürzester Zeit zu einem massiven Einbruch der russischen Wirtschaft. Der Lebensstandard der Massen sank massiv. Heute gibt es in Russland vor allem eine sehr breite Unterschicht, die einer kleinen superreichen Oberschicht gegenüber steht. Gelöst ist nichts.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verkündete die herrschende Klasse weltweit, das Ende der Geschichte sei erreicht, Marktwirtschaft und parlamentarische Demokratie seien die besten aller Systeme. 25 Jahre später steckt der Weltkapitalismus in der tiefsten Krise jemals. Überall auf der Welt nehmen die Klassenkämpfe zu. Wir sind in ein neues Zeitalter eingetreten. Immer mehr Menschen schauen sich nach einer Alternative zu Krise, Krieg und Armut um. Die Ideen und Lehren der Oktoberrevolution sind heute aktueller denn je.
Ein weiterer Höhepunkt war die deutschsprachige Premiere des Dokumentarfilms “Leon Trotsky – The Life Of A Revolutionary” (”Leo Trotzki - Leben eines Revolutionärs”). Der Film wurde von der Internationalen Marxistischen Tendenz (IMT) gemeinsam mit Esteban Volkov, dem Enkel Trotzkis, produziert. Erklärtes Ziel ist es, mit dieser Dokumentation den Verleumdungen gegen Trotzki, von Stalinisten wie von Bürgerlichen, die Wahrheit entgegenzusetzen. Der Film beeindruckte. Als er mit dem Abspielen der Internationale endete, sang der ganze Raum mit.