Vor hundert Jahren trafen 555 Vertreter und Vertreterinnen der Europäischen Sozialdemokratie zum Friedenskongress sich in Basel. Unter der Losung „Krieg dem Krieg“ verabschiedeten sie den Entschluss, einen bevorstehenden Krieg in Europa durch gemeinsames Handeln zu verhindern.
Am Samstag, 17. November trafen sich zum hundertjährigen Jubiläum linke Aktivisten aus der ganzen Schweiz in Basel. Verschiedene linke Organisationen, darunter der Funke, luden zur ganztägigen Veranstaltung „GegenKrieg“. Rund 100 Personen wohnten den Workshops der vier internationalen Referenten bei. Vier verschiedene Workshops deckten diverse Themenfelder ab. Dabei ging es um den sozialen Krieg, die Jugendunruhen in England, die arabischen Revolution, die verschiedenen Gesichter und Entwicklungsstadien des Imperialismus usw.
Eingeladen war auch Hamid Alizadeh. Der in London lebende Iraner ist auch Mitglied der „International Marxist Tendency“ und Herausgeber von „Mobareze Tabaghati“, der iranischen Schwesterzeitung des Funkes. In seinem Workshop über die Situation im Iran gab Hamid einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Bewegungen, die in den letzten zwei Jahren alle Länder des Mittleren und Nahen Ostens erschüttert haben. Er setzte den Fokus auf die Gemeinsamkeiten der Aufstände und die verschiedenen Geschwindigkeiten und Phasen der Revolution. Er zeigte auf, dass sich die Lebenssituation der arbeitenden Klasse bisher nicht grundlegend verändert hat, da keine der revolutionären Erhebungen bisher den Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise und ihrer Eigentumsverhältnisse überwunden hat. Genau dies sei aber die einzige Möglichkeit, um die Lebensverhältnisse der arabischen Massen wirklich zu verbessern und darum das logische Ziel für die revolutionären Kräfte in den Bewegungen. Die Arbeiterklasse müsse eine unabhängige Rolle spielen und sich keine Illusionen in reaktionäre Institutionen wie die Armee oder islamische Parteien machen, welche den Status Quo verteidigen und sich nicht für die Massen, sondern nur für ihren eigenen Profit interessieren.
Aschliessend kam Hamid auf die spezifische Situation des Irans zu reden. Er zeigte auf, was das Ausbleiben „des subjektiven Faktors“, das heisst das Fehlen einer organisierten revolutionären Partei der Arbeiterklasse und der armen Masse für Folgen haben kann. Dass die „Grüne Welle“ besiegt worden sei, hinge fest davon ab, dass Mussawi keinerlei Alternative präsentieren konnte. Trotzdem hätten die Proteste um den Wahlbetrug revolutionären Charakter angenommen und gewisse Quartiere von Teheran seien in den Händen von Quartierkomitees gewesen. Die Massenbewegung im Jahr 2009 nahm in vielem die Bewegungen der anderen arabischen Ländern vorweg, auch wenn sie vorläufig von der massiven Repression des diktatorischen Regimes zurückgedrängt wurde. Am Beispiel des Irans zeigte er auch die verräterische Rolle, welche die Stalinistischen Führungen diverser Kommunistischer Parteien im Nahen Osten gespielt hatten.
Hamid’s Referat folgten unverzüglich verschiedenste Wortmeldungen und energische Kommentare. Diese betrafen die Avantgarden-Rolle des Kurdischen Volkes, die Frage nach anti-imperialistischer Fronten, die Rolle der Muslimbrüder und einige mehr, die leider auf Grund der mangelnden Zeit nicht alle besprochen werden konnten. Dies zeigte das grosse Interesse an solchen konkreten Fragen, die im Workshop bewusst nicht aus einer Beobachtersicht behandelt, sondern von einem aktiv Beteiligten beantwortet wurden.
Das Schlussplenum hatte ein sehr offenes Thema, da es schlussendlich darum ging, Lehren aus den Fehlern der letzten 100 Jahre zu ziehen. Das Publikum stellte aber vor allem Fragen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling. Dabei zeigte Hamid Alizadeh auf, das die beschränkte „Freiheit“ der Ägypter und Ägypterinnen alles sei, was die bürgerliche Demokratie in der heutigen Situation in Ägypten zu bieten hat. Demokratie aus Sicht der Lohnabhängigen und der Armen heisse vorallem auch Brot, Jobs und Wohnungen und nicht einfach Meinungsäusserungsfreiheit. Nur eine demokratisch gelenkte und geplante Wirtschaft könne die Forderungen nach „Brot und Arbeit für alle“ erfüllen.
Hamid betonte ebenfalls, wie wichtig es sei, aktiv in die Geschichte einzugreifen aber gleichzeitig auch die Geschichte zu studieren und von Fehlern zu lernen. Zu diesem Zweck hatte der Funke einen breit bestückten Bücherstand vor Ort, der gut besucht wurde.
„GegenKrieg“ war eine spannende Veranstaltung, es blieb aber auch genügend Zeit für interessante Diskussionen zwischen den Workshops. Der Enthusiasmus der jungen Genossen, die vorallem der Funke mobilisiert hat, gab einem die Hoffnung, dass wir uns in nochmals hundert Jahren nicht mehr über Krieg und die Überwindung des Kapitalismus diskutieren müssen, sondern Friede und Freiheit für alle Realität geworden ist.
Die Veranstaltung Gegenkrieg in Basel bildete den krönenden Abschluss einer mehrwöchigen Veranstaltungsreihe der marxistischen Strömung zum Thema „Krieg dem Kriege“ als Gedenken an den Basler Sozialistenkongress von 1912. In 7 Städten führte der Funke Diskussionsabende durch, um überdie Kriegsthematik mit Interessierten zu debattieren und die GenossInnen zu bilden.
Speziell zu erwähnen ist die Veranstaltung „Säbelrasseln im Nahen Osten - Iran und Syrien“ vom letzten Freitag in Zürich. Die Veranstaltung war inhaltlich vergleichbar mit Basel war doch der Referent bereits Hamid Alizadeh. Vor über dreissig Besuchern machte er klar, was die Aufgaben der MarxistInnen in den Bewegungen der arabischen Welt sind und wo der ganze Prozess steht.
Als Funke ziehen wir aus der Kampagne eine durchwegs positive Bilanz, auch wenn die Beteiligung nicht so gross war, wie wir uns gewünscht hätten. Wir danken unserem iranischen Genossen Hamid ganz herzlich für seinen Kurzbesuch in der Schweiz. Wir haben das Ziel erreicht, dem Basler Friedenskongress von 1912 würdig zu gedenken, wenn wir aus der Geschichte lernen und politische Schlüsse für unsere Arbeit ziehen.
Source: Der Funke (Switzerland)