Neue Covid-19-Gesetze: Wirtschaftsstandort über alles

Das Primat der Regierung ist – entgegen aller Beteuerungen – nicht das Wohl der Menschen, sondern die „Sicherung des Standortes“. Das geht auch aus den drei neuen Sammelnovellen hervor, mit denen insgesamt 85 Gesetze geändert und sieben neue Gesetze geschaffen wurden. Die drei Covid-19-Gesetzespakete wurden im Rahmen einer getrennten Abstimmung mehrheitlich beschlossen. Nur FPÖ und NEOS stimmten dagegen.


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Neben der Aufstockung des Krisenbewältigungsfonds und des Härtefallfonds für KMUs und Selbständige werden die Mittel für Kurzarbeit erhöht und 30 Millionen Euro für Familien in besonderen Notlagen bereitgestellt. ÖVP-Bildungsminister Faßmann erhält umfassende Kompetenzen im Bildungsbereich. Per Verordnung kann er nun über das Ende und den Beginn des Schuljahrs entscheiden, die Beurteilungskriterien beim Hausunterricht festlegen und sogar einen „Ergänzungsunterricht“ während den Ferien anordnen.

Außerdem werden im Rahmen einer Presseförderung 32 Millionen Euro an Privatsender, Tages- und Wochenzeitungen ausgeschüttet. Eine erste Berechnung ergibt, dass die Kronen Zeitung mit rund 2,7 Millionen Euro die höchste Förderung erhält. Heute und Österreich folgen mit je knapp 2 Millionen Euro. Diese Summen werden dem Boulevard zugeschoben, weil er eine wichtige Rolle in der Kommunikationsstrategie der Regierung spielt.

Wieder Milliarden für Unternehmen

Neu ist der mit 15 Milliarden Euro dotierte „Corona-Hilfsfonds“ für Unternehmen, die einen Umsatzeinbruch von mindestens 40 Prozent verzeichnen. Der Fonds umfasst garantierte Kredite und Zuschüsse für Betriebskosten und verdorbene oder wertlos gewordene Waren (etwa unverkäufliche Saisonware), die nicht zurückgezahlt werden müssen. Damit übernimmt der Staat bis zu 75 Prozent der Kosten etwa für Miete, Strom, Gas, Zinsaufwendungen und sogar für einen fiktiven Unternehmerlohn!

Unternehmen, die staatliche Hilfsgelder beziehen, dürfen nun für ein Jahr keine Dividenden mehr ausschütten; die Auszahlungen von Managerboni werden lediglich beschränkt. Die SPÖ forderte ein über die Beschränkung hinausgehendes gesetzliches Verbot von Boniauszahlungen für alle Unternehmen, die Staatshilfen beziehen, und eine Begrenzung der Managergehälter. Der Antrag wurde abgelehnt.

Die Regierung übernimmt also einen großen Teil der Betriebskosten von Unternehmen, darunter auch ihre Geschäftsmieten. Normalsterbliche, die sich die Miete für den eigenen Wohnraum nicht mehr leisten können, weil sie plötzlich gekündigt wurden oder als Selbständige keine Einkünfte mehr haben, bekommen dagegen nichts geschenkt.

Die Farce vom „Mieterschutz“

Wer aufgrund der Wirtschaftskrise in eine finanzielle Notlage geraten ist und deshalb die Wohnungsmiete zwischen April und Juni nicht bezahlen kann, erhält einen dreimonatigen Zahlungsaufschub (Andere Kündigungsgründe bleiben aufrecht). In dieser Zeit darf das Mietverhältnis nicht gekündigt werden. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Die Zahlungsrückstände müssen bis 31. Dezember 2020 beglichen werden – und wachsen in dieser Zeit um vier Prozent! Mit den Verzugszinsen machen die Vermieter am Ende auch noch Gewinne. Viele Menschen, die sich in den kommenden Monaten ihre Miete nicht leisten können, werden auch nach Silvester nicht in der Lage sein, die laufenden Mieten plus Rückstände und Zinsen zu bezahlen.

Auch Delogierungen können auf Antrag der Mieter für drei Monate aufgeschoben werden – es sei denn, die Räumung ist zur „Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des betreibenden Gläubigers unerlässlich“. Mit dieser Ausnahmeregelung können private Wohnungseigentümer potenziell weiterhin MieterInnen vor die Türe setzen.

Außerdem können auslaufende Mietverträge einvernehmlich verlängert werden, maximal aber bis Jahresende. Das heißt, der Mieter ist dem Gutdünken seines Vermieters unterworfen. Stimmt der Vermieter einer Verlängerung nicht zu, landet der Mieter auf der Straße. Die SPÖ forderte daher großzügigere Fristen sowie die Möglichkeit des Mieters, einen befristeten Vertrag einseitig um ein Jahr verlängern zu können. Diese Forderungen gehen aber nicht weit genug. Was wir zur Prävention von Obdachlosigkeit wirklich brauchen ist ein unbefristetes Delogierungsverbot, die Abschaffung von Befristungen, eine gesetzliche Mietobergrenze und die Enteignung großer Immobilienfirmen.

Keine Freistellung im Gesundheitsbereich

Neu ist auch die Dienstfreistellung samt Entgeltfortzahlung für Angehörige von Risikogruppen. Ausgenommen sind alle jene, die in Homeoffice gehen können oder deren Arbeitsstätte und Arbeitsweg durch ausreichend Schutzmaßnahmen so gesichert werden können, dass eine Ansteckung mit „größtmöglicher Sicherheit“ ausgeschlossen ist. Auch Angehörige der Risikogruppe müssen also weiterhin in die Fabrik, solange der Mindestabstand und andere Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Die Einhaltung des Ein-Meter-Abstandes ist in der Praxis aber oft nicht möglich und bietet keinen garantierten Schutz vor einer Ansteckung. Deshalb fordern wir die Schließung aller nicht zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur notwendigen Betriebe, bis tatsächlich gewährleistet ist, dass es an den Arbeitsplätzen nicht zu einer Ansteckung kommen kann!

Die Definition der Risikogruppe ist noch völlig intransparent. Eines ist aber klar: Beschäftigte im Bereich der kritischen Infrastruktur (medizinisches Personal und Pflegekräfte) haben keinen Anspruch auf Freistellung, egal ob sie zur Risikogruppe gehören oder nicht – und das, obwohl gerade die Beschäftigten im Gesundheitsbereich ständig in Kontakt mit Erkrankten geraten. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer erklärt diese Regelung in der Presse für „klar verfassungswidrig“ und „unverhältnismäßig“. Ältere Menschen sowie jene mit schweren Vorerkrankungen müssen zu Hause bleiben dürfen – egal wo sie arbeiten! Die Regierung kann noch so viele Lobeshymnen auf die Beschäftigten im Gesundheitsbereich anstimmen – diese Ausnahmeregelung zeigt, dass sie sich um ihr gesundheitliches Wohl überhaupt nicht kümmert.

Obwohl die Anträge der SPÖ wieder abgelehnt wurden, stimmte die SPÖ den drei Gesetzespaketen vollumfänglich zu. FPÖ und NEOS stimmten dagegen. Dass die notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat zustande kam, war einem in letzter Minute eingebrachten Entschließungsantrag zu verdanken, in dem ÖVP und Grüne gemeinsam mit der SPÖ den unverbindlichen Wunsch äußerten, das AMS um bis zu 500 Personen aufzustocken, ein zinsenloses Moratorium bis Jahresende für Steuern, Sozialversicherung und Energielieferungen vorzusehen und dafür zu sorgen, dass die Anspruchsdauer vom Arbeitslosengeld nicht durch die Corona-Krise verkürzt wird. Entschließungsanträge sind reine Willensbekundungen. Ob diese drei Forderungen tatsächlich umgesetzt werden, ist völlig ungewiss. Trotzdem hat die SPÖ den Gesetzespaketen zugestimmt.

Die von der SPÖ eingebrachten Anträge wurden wie bereits über 30 von der SPÖ eingebrachte Maßnahmen abgelehnt. Die Anträge umfassten etwa die umgehende Öffnung der Bundesgärten, die Ausweitung des Härtefallfonds auf sämtliche Unternehmen, die Sicherung der Gemeindeleistungen nach der Coronakrise und ein Maßnahmenpaket zur Abfederung der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise.

Zu diesem Maßnahmenpaket zählte etwa die Errichtung eines Unterstützungsfonds für jene, die weder in Kurzarbeit gehen noch Arbeitslosengeld beziehen können – etwa geringfügig Beschäftigte, KünstlerInnen, Alleinerzieherinnen und Personen, die ihre Angehörigen pflegen.

Auch der Antrag auf Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent des Letzteinkommens wurde abgelehnt. Mittlerweile sind insgesamt über 500.000 Menschen in Österreich arbeitslos gemeldet – das sind die höchsten Arbeitslosenzahlen seit 1946. Allein zwischen 15. und 31. März haben fast 194.000 Personen ihren Job verloren. Diese Menschen müssen sich nun – im besten Fall! – mit der Hälfte des bisherigen Einkommens durchschlagen.

Außerdem forderte die SPÖ Preisobergrenzen, die Wucher und Krisengewinne verhindern sollten. Unternehmen nützen die Zwangslage der Menschen aus, indem sie völlig überhöhte Preise für Hygieneartikel (z. B. Desinfektionsmittel und Seife), Arzneimittel und Heilbehelfe (etwa Schutzmasken) sowie Grundnahrungsmittel verlangen. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Die Regierungsparteien haben ihre Gesetzespakete mit der Unterstützung der SPÖ durchgepeitscht – obwohl die SPÖ-Anträge abgelehnt wurden. Mit diesem Verhalten stellt die Parteiführung ihr staatstragendes Selbstverständnis unter Beweis. Sie beugt sich dem Druck der Regierungsbank, inszeniert Pamela Rendi-Wagner als bestmögliche Krisenmanagerin im Gesundheitsministerium und hält auch weiterhin am nationalen Schulterschluss fest, weil sie keine Alternative zu einer großen Koalition sieht. Stattdessen braucht es heute mehr denn je eine konsequente Oppositionspolitik, die den zynischen Charakter der bürgerlichen Krisenbearbeitung aufdeckt, die in erster Linie der „Liquiditätssicherung“ der Unternehmen und nicht der Gesundheit und sozialen Sicherheit der Menschen dient.

„Es soll so viel wirtschaftliches Leben zugelassen werden wie möglich“, meint Vizekanzler Kogler in der Pressekonferenz am Freitag, den 3. April. Denn, so Kogler: „Wir wollen den Blutkreislauf der Wirtschaft am Laufen halten“. Aber auch die SPÖ ist der Meinung, dass die Wirtschaft wieder zurück in den Normalbetrieb kehren muss „sobald wir das Virus wieder halbwegs im Griff haben.“ Heute wurde bereits ein Plan zum „langsamen Hochfahren“ der Wirtschaft vorgestellt: Mit 14. April sollen kleine Geschäfte bis 400 m² sowie Bau- und Gartenmärkte wieder öffnen. Ab 1. Mai sollen alle Geschäfte, Einkaufszentren und Frisöre wieder öffnen dürfen. Alle anderen Dienstleistungen, Gastronomiebetriebe und Hotels werden voraussichtlich Mitte Mai stufenweise öffnen können. Aber während man sich in den großen Einkaufszentren und im Wirtshaus wieder dicht and dicht drängen darf, wird es weiter verboten sein, selbst mit Sicherheitsabstand zu demonstrieren – bis Ende Juni (!) sollen Veranstaltungen verboten bleiben. Man sieht also: Die Rettung des Systems steht über der Rettung von Menschenleben.

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