In den Morgenstunden des 1. Oktober hat die israelische Armee damit begonnen, die Grenze zum Libanon zu überschreiten und eine Invasion des Landes zu beginnen. Davor gab es wochenlange schwere Luftangriffe. Das ist ein durch und durch reaktionärer Krieg, der von den USA und dem westlichen Imperialismus unterstützt und finanziert wird. Er droht, den ganzen Nahen Osten in einen offenen Krieg zu ziehen, der Jahre dauern könnte und der Region weiteres erschütterndes Leiden zu bescheren. Von Jorge Martin.
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Anm. d. Übersetzer: Derzeit überschlagen sich die Ereignisse im Nahen Osten. Was noch vor wenigen Stunden als Perspektive analysiert wurde, wird zur Wirklichkeit. Nach dem Raketenangriff des Iran hat Israel eine “harte” Reaktion angekündigt, wobei die USA Unterstützung zugesagt haben. Wir sagen “unseren” imperialistischen Kriegstreibern im Westen: Hände weg von Palästina, Hände weg vom Libanon, Hände weg vom Nahen Osten! Nieder mit dem Krieg! Keine Unterstützung für die israelische Kriegsmaschinerie! Nieder mit dem Imperialismus, nieder mit dem Kapitalismus, es lebe der Sozialismus! Der Hauptfeind steht im eigenen Land – Arbeiter aller Länder, vereinigt euch, Hoch die internationale Solidarität!
Wie vorherzusehen war, haben die USA sich voll hinter die israelische Invasion gestellt. Obwohl sie immer wieder deponiert haben, dass sie einen Waffenstillstand wollen, hat Israel gewusst, dass sich die USA auf ihre Seite stellen würde. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der Vereinigten Staaten erklärte, dass die Invasion „sich im Einklang mit dem Recht Israels befindet, seine Bürger zu verteidigen und Zivilisten sicher in ihre Häuser zurückzubringen. Wir verteidigen Israels Recht, sich gegen die Hisbollah und alle iranisch unterstützten Terrorgruppen zu verteidigen.“
Hier sehen wir ein Beispiel für die zum Himmel stinkende Heuchelei und Doppelstandards, wenn es um die sogenannte „Regelbasierte Ordnung“ geht. Als Russland vor zweieinhalb Jahren eine Invasion der Ukraine startete, gab es einen Chor der Verurteilungen, einen Aufschrei der Empörung über die „Unverletzlichkeit von nationalen Grenzen“, und „Aggression gegen ein souveränes Land“, was gegen das „internationale Recht“ verstoße.
Es scheint, dass solche noblen Prinzipien nicht auf „unsere Seite“ zutreffen. In diesem Fall wird aus einem inakzeptablen Bruch der nationalen Souveränität ein „begrenzter Einfall“, der sich im Rahmen des „Rechts auf Selbstverteidigung“ bewegt. Wo ist das Recht auf Selbstverteidigung für die Palästinenser, die gesehen haben, wie der Gazastreifen in Schutt und Asche gelegt wurde? Wo zehntausende getötet und hunderttausende hungern und vertrieben worden sind? Wo ist das Recht auf Selbstverteidigung für den Libanon, wo schon jetzt mehr Menschen durch die israelische Aggression getötet worden sind als in der israelischen Invasion von 2006, und wo eine Million Menschen zu Flüchtlingen gemacht wurden?
Wir sehen nicht nur eine Invasion des Libanon. In den letzten 24 Stunden hat Israel Ziele im Jemen und in Syrien angegriffen und die völkermörderische Kampagne gegen die Palästinenser im Gazastreifen und Westjordanland fortgesetzt.
Wie immer in einem imperialistischen Krieg haben die behaupteten Kriegsgründe (der Schutz der israelischen Bevölkerung in der Nähe der nördlichen Grenze) wenig bis gar nichts mit den tatsächlichen Zielen zu tun, die der zionistische Angreifer verfolgt.
Netanjahu ist weder über das Schicksal der Bürger im Norden noch über das Schicksal der Geiseln im Gazastreifen besorgt. Wenn er das wäre, hätte er nicht in vollem Bewusstsein ein Abkommen sabotiert, das den Weg für die Freilassung der Geiseln und die Bedingungen für eine Einstellung der Raketenangriffe der Hisbollah über die Grenze freigemacht hätte.
Jeder, der Augen im Kopf hat, sieht, dass das Hauptziel des israelischen Premierministers Netanjahu sein eigenes politisches Überleben ist. Nachdem er in einem Jahr voller Tod und Zerstörung an seinem erklärten Kriegsziel im Gazastreifen gescheitert ist, nämlich die Geiseln zu befreien und die Hamas zu zerstören, ist seine Beliebtheit in den Keller gerasselt. Immer größere Teile der israelischen Gesellschaft sind in Opposition zu seiner Führung getreten.
Er musste unter allen Umständen wieder Boden gutmachen. Wenn er aus dem Amt gejagt wird, entweder im Krieg oder bei Neuwahlen danach, hieße das für ihn, dass er mit einer Anklage und im schlimmsten Falle sogar einer Haftstrafe rechnen kann. Unter diesen Umständen hat er kalkuliert, dass ihn eine Kampagne gegen den Libanon retten kann.
In Wirklichkeit hat sich die israelische herrschende Klasse schon auf einen Krieg gegen den Libanon vorbereitet, seit sich die israelische Armee am Ende der Invasion 2006 gedemütigt aus dem Land zurückgezogen hatte. Sie hatten offensichtlich bergeweise geheimdienstliche Informationen über die Hisbollah gesammelt, die sie in der ersten Stufe des Krieges für einen entscheidenden Schlag einsetzen konnten. Mit terroristischen Methoden haben sie es geschafft, eine ganze Schicht der Führung der Hisbollah auszuschalten. Der Fakt, dass sie in diesem Prozess auch hunderte Zivilisten getötet haben, spielt dabei natürlich keine Rolle.
Netanjahus Berechnungen beziehen sich auch auf einen anderen Faktor. Indem Israel andauernd den Iran provoziert (vor allem mit dem Mord am Hamas-Chef Haniyeh in Teheran) hofft es, die Islamische Republik in einen offenen Konflikt mit Israel zu provozieren. In diesem Fall wären die USA gezwungen, einzugreifen und den zionistischen Staat zu verteidigen.
Ein regionaler Krieg würde unsägliche Zerstörung und Tod verursachen. Aber wenn es nacht Netanjahu geht ist das akzeptabel, wenn er dadurch seine eigene Haut rettet.
Die Umrisse eines solchen Krieges sind jetzt schon zu erkennen. Die Huthis im Jemen haben den Takt ihrer Angriffe gesteigert und damit gedroht, israelische Offshoreanlagen zur Öl- und Gasförderung im Mittelmeer anzugreifen. Im Irak ist die US-amerikanische „Victoria“-Basis am Bagdader Flughafen mit 4 Raketen angegriffen worden. Israel hat Luftangriffe gegen Syrien geflogen. Die USA haben mehr Truppen in die Region abkommandiert, um die „Verteidigungsposition zu stärken“.
Viel ist darüber spekuliert worden, wie und wie stark der Iran auf die israelischen Reaktionen reagieren würde.
Der Iran befindet sich in einer schwierigen Lage. Im eigenen Land wächst der Unmut und das Regime versuchte in der ganzen letzten Periode, ein Abkommen mit dem Westen abzuschließen. Das braucht es, um die Sanktionen aufzuheben und wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.
Gleichzeitig hat er enge Allianzen mit einer Reihe von bewaffneten Gruppen in der Region (Palästina, Libanon, Jemen, Irak, Syrien) geknüpft. Dadurch hat er seinen Einfluss ausgedehnt und einen „Schutzschild“ gegen seinen Hauptfeind in der Region, Israel, gespannt. Dieser wird jetzt von Israel angegriffen. Wenn der Iran nicht reagieren würde, wäre sein regionaler Einfluss stark erschüttert. Das letztendliche Ziel von Israel ist es, Irans nukleares und militärisches Potential zu zerstören. Kein Regime im Iran kann erlauben, dass das ohne eine Reaktion passiert, wenn es an der Macht bleiben will.
Es stellt sich die Frage, wie das gesamte Schicksal des Nahen Ostens so eng mit den persönlichen Machenschaften eines Individuums verknotet werden konnte. So sehr die persönlichen Wünsche von Netanjahu eine entscheidende Rolle in diesen Ereignissen spielen, so sehr sind sie aber eine Widerspiegelung von grundlegenderen Prozessen, die sich über eine ganze Zeitperiode aufgeschaukelt haben.
Wir sehen einen Konflikt der weltweiten Beziehungen zwischen den USA auf der einen Seite und Russland und China auf der anderen. Erstere sind die mächtigste imperialistische Kraft der Welt, wenn sie sich auch in einem relativen Abstieg befinden (mit einem großen Fokus auf das Wort relativ in diesem Prozess). Nachdem sie im Irak und Afghanistan besiegt worden sind, nachdem sie es nicht geschafft haben, im syrischen Bürgerkrieg kriegsentscheidend einzugreifen, nachdem sie ihre wichtigsten Verbündeten im arabischen Frühling fallengelassen haben; nach all diesen Ereignissen haben die USA nicht mehr den Einfluss im Nahen Osten wie zuvor. Sie haben nur noch einen stabilen Verbündeten: Israel.
Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, wie dieses Verhältnis sich in der Praxis entwickelt hat. Washington will nicht, das Israel den Gazastreifen komplett zerstört – nicht aus irgendwelchen menschenrechtlichen Erwägungen heraus, sondern weil sie davor Angst haben, dass die Brutalität Israels zu einer revolutionären Destabilisierung der arabischen Regimes in Jordanien, Ägypten und anderswo führen kann, auf die sich die USA stützen. Die USA will nicht direkt in einen regionalen Krieg hineingezogen werden – und das nicht, weil ihr das Leben der Menschen im Nahen Osten irgendetwas bedeuten würde (schließlich haben sie in den letzten 20 Jahren in der Region selbst hunderttausende Menschenleben auf dem Gewissen). Vielmehr wäre ihnen so ein Krieg in Sachen Personal und Geld zu kostspielig, während sie im Moment schon einen Krieg in der Ukraine verlieren. Es würde auch weiter vom Hauptrivalen China ablenken.
Aber all diese Überlegungen sind am Ende des Tages weniger wichtig als die, dass am Ende des Tages Israel der wichtigste Verbündete der USA in der Region ist und nicht fallengelassen werden kann. Biden hat hin und wieder sanfte Kritik an Netanjahu geübt, hat versucht, Benny Gantz gegen ihn in Stellung zu bringen und hat sogar damit gedroht, die Lieferung von Militärgütern zurückzuhalten. Aber letztendlich hat er Israel immer unterstützt.
Die wirklichen Verhältnisse werden in den Medien nicht dargestellt. Ein scheiternder Präsident, dem die Hände gebunden sind und der Israel widerwillig unterstützt. 10% der jährlichen Militärausgaben Israels werden durch die USA finanziert. Darüber hinaus spuckten die USA in Kriegszeiten noch mehr Geld aus, wie etwa das 8 Mrd. $ schwere Paket Anfang dieses Jahr zeigt.
Wenn die USA ihre Lizenzvereinbarungen zur Waffenproduktion zurückziehen würden, stände Israel ohne Waffen und Munition da. Würde Israel nicht pünktlich Geld und Ausrüstung von den USA erhalten, hätte der zionistische Staat nicht all die Ressourcen, die er zum Führen seiner mörderischen, reaktionären Angriffskriege benötigte.
Dieses Druckmittel ist Biden nicht bereit einzusetzen. Im Gegenteil, von Beginn an hat er an der eisernen Unterstützung für Israel festgehalten. Das ist Netanjahu völlig bewusst. Vielleicht dachte Biden, dass das die beste Methode wäre, Netanjahu zu beeinflussen oder zu mäßigen. Das Gegenteil ist der Fall. In der Gewissheit, dass Biden ihn pflichtgemäß unterstützen würde, tat Bibi das, was seinen eigenen Interessen nützte, ohne sich im Geringsten um die Interessen Washingtons zu scheren.
In der Zwischenzeit spielte Russland im syrischen Bürgerkrieg eine entscheidende Rolle, indem es seinen Verbündeten Assad an der Macht hielt, und zwischen den verschiedenen beteiligten regionalen Mächten (Türkei, Saudi Arabien, Katar usw.) balancierte. Auch China trat auf den Plan und vermittelte völlig an den USA vorbei ein Friedensabkommen zwischen dem Iran und Saudi Arabien, was noch vor 20 Jahren völlig undenkbar gewesen wäre.
Während sich diese Prozesse entfalteten drängte Washington auf die Durchführung des Abraham-Abkommens zur “Normalisierung” der Beziehungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn. Dieser Prozess war sehr weit fortgeschritten und das letzte fehlende Stück, Saudi Arabien, schien sich zu fügen. Vor einem Jahr zückte Netanjahu bei der UNO-Generalversammlung eine Landkarte des, wie er es nannte, “neuen Nahen Ostens”, in dem Israel Handel mit Jordanien, Saudi Arabien und den Golfstaaten, mit Ägypten und dem Sudan treibt. Auf dieser Karte waren die besetzten Gebiete völlig ausgeblendet.
Die Botschaft war klar. “Normalisierung” sollte freie Hand für Israel bedeuten, die Annexion Palästinas endlich abzuschließen. Das war einer der Hauptgründe für den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023.
Das übergeordnete Ziel der israelischen herrschenden Klasse ist es, seinen größten Gegner in der Region zu schwächen oder auszuschalten: den Iran. Sie weiß, dass es dafür die Unterstützung durch die USA braucht. In diesem Sinne fallen die allgemeinen Interessen der herrschenden Klasse mit den persönlichen Interessen Netanjahus zusammen. Diejenigen, die sich gegen Natanjahus Sabotage der Geiselverhandlungen stellten, haben das gerade eben deswegen getan, weil sie sich auf den Krieg gegen den Libanon konzentrieren wollten.
Die Haltung der Revolutionären Kommunisten in diesem Konflikt ist klar. Wir stehen auf Seiten der Unterdrückten gegen die Unterdrücker. Wir stehen gegen den reaktionären imperialistischen Staat Israel und auf der Seite der unterdrückten Palästinenser, und nun der Libanesen, die brutaler militärischer Aggression ausgesetzt sind. Wir unterstützen ihr Recht, sich zu verteidigen.
Revolutionäre Kommunisten erklären offen, dass weder Appelle an die Regierungen noch Vermittlungsversuche der internationalen Institutionen (welche ohnehin nur das Kräfteverhältnis zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten repräsentieren) Frieden im Nahen Osten bringen können. Die Präsenz der UNIFIL-Mission zur Friedenssicherung an der Grenze hat die israelische Invasion in den Libanon nicht aufhalten können. Ein imperialistischer Frieden wäre einfach nur ein Zwischenspiel bis zu einem neuen reaktionären Krieg.
Nur der Sturz der reaktionären zionistischen herrschenden Klasse in Israel und der Sturz der reaktionären herrschenden Klassen aller anderen Regimes in der Region (Jordanien, Ägypten, Türkei, Saudi Arabien usw.) kann einen tatsächlichen Frieden bringen, den es nur geben kann, wenn die nationale Unterdrückung des palästinensischen Volkes beendet wird.
Unsere Hauptaufgabe im Westen ist es, gegen unsere eigenen imperialistischen und kriegstreiberischen Regierungen zu kämpfen, die das Blut des Volkes in Gaza an ihren Händen haben.
Der Kampf gegen imperialistische Kriege ist der Kampf gegen das verrottete kapitalistische System, das sie hervorbringt. Wer Frieden will, muss für den Sozialismus kämpfen.