Der Befreiungskampf der Palästinenser ist eine Inspiration für die Arbeiter der ganzen Welt. Demonstrationen in Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand haben sich über den ganzen Globus ausgebreitet – vom Libanon bis Frankreich, von Großbritannien bis Kanada – und zeigen, dass der Kampf gegen den Imperialismus einen Massencharakter annimmt.
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Die gewaltige Welle der Empörung nach dem vom israelischen Imperialismus veranstalteten Blutbad ist eine bedeutsame Entwicklung. Diese Kämpfe drücken ein Verständnis für die zynische und heuchlerische Rolle aus, die die Herrschenden aller Länder im israelisch-palästinensischen Konflikt spielen. Diese Damen und Herren vergießen ihre Krokodilstränen, wenn die israelischen Streitkräfte ein Kind niederschießen, das mit Stöcken und Steinen wirft. Und wenn sie einen Waffenstillstand verkünden können, genauer gesagt einen vorübergehenden Waffenstillstand zugunsten Israels, dann loben sie ihre diplomatischen Bemühungen in den siebten Himmel. Doch wenn es um die systematische Unterdrückung des palästinensischen Volkes geht, schweigen sie.
Aber das Wichtigste ist, dass die radikale Jugend und die Arbeiterklasse das Problem nicht für unlösbar halten. Anstatt auf die Antwort der Berufspolitiker zu warten, nehmen Millionen von Menschen die Dinge selbst in die Hand und suchen nach einem Weg nach vorn.
Die „internationale Gemeinschaft“
Das Wachstum antiimperialistischer Einstellungen weltweit birgt große Chancen für die Linke. Zuerst müssen wir aber den Nebel quacksalberischer Scheinlösungen durchdringen, die nur Verwirrung stiften und die vor allem von den Stars der internationalen Solidaritätsbewegung propagiert werden. Sie halten an altbewährten und gescheiterten reformistischen Formeln fest und verfallen dadurch häufig in Verzweiflung und Pessimismus.
Der augenscheinlichste Vertreter dieser Schule ist Professor Noam Chomsky, der bekannte Kritiker der US-Außenpolitik. In seinem Buch Brennpunkt Palästina spricht sich Chomsky offen für die Zwei-Staaten-Lösung aus und argumentiert, dass dies die einzige Alternative zu einem Groß-Israel sei. In letzterem Fall würden die Palästinenser entweder durch Völkermord oder durch Vertreibung aus dem Weg geräumt werden. Die Zwei-Staaten-Lösung hingegen sei der Beginn eines beschwerlichen Prozesses der Versöhnung.
Er schreibt: „Die Zwei-Staaten-Lösung ist verrottet, aber zumindest hat sie überwältigende internationale Unterstützung, die in den letzten fünfunddreißig Jahren von den USA blockiert wurde“. Auch wenn sie zugegebenermaßen „verrottet“ ist, nimmt er an, dass sobald es zwei international anerkannte Staaten gäbe, diese in sich zusammen fallen würden, da es keine sinnvolle Möglichkeit gibt, eine klare Grenze im Sand zu ziehen. Dies würde die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Israelis und Palästinenser auf lange Sicht einen Konsens finden und – zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt – eine Art föderale Gesellschaft entsteht.
Dahinter verbirgt sich die Annahme, dass wenn die Palästinenser einfach als Volk und damit als Staat anerkannt werden würden, der israelische Staat das Leben der Palästinenser nicht mehr bedrohen und ihre Existenz respektieren würde. Warum die Aufhebung der international anerkannten Grenzen sowohl für Israelis als auch für Palästinenser vorteilhaft sein soll, wird nicht erklärt. Die Frage stellt sich: Waren wir nicht schon einmal an diesem Punkt?
Professor Chomskys Pragmatismus kam bei seiner Ansprache vor den Vereinten Nationen im Jahr 2014 deutlich zum Ausdruck. Er appellierte an die UNO – die Diebesgilde der imperialistischen Mächte –, das Vorhaben „Groß-Israel“ zu verhindern. Er bezog sich auf den Bericht, der dem Sicherheitsrat 1976 vorgelegt wurde und der einen Zwei-Phasen-Plan für die Rückkehr der Palästinenser in ihre Häuser und ihr Eigentum forderte, begleitet von „vorübergehenden Friedenstruppen (!) zur Unterstützung des Prozesses“. Dies könne die Blaupause für die Zukunft sein, so sein Argument.
Laut Chomsky liegt eine sinnvolle Lösung seit fast fünfzig Jahren auf dem Tisch und es fehlt nur noch der richtige Druck von unten und die entsprechende Führung von oben, um sie umzusetzen. Das ist schlichtweg falsch.
Gerade die Illusionen in die „internationale Gemeinschaft“ als Retter in der Not haben zu dem jetzigen Desaster geführt. Diese sogenannte Gemeinschaft – einschließlich der scheinheiligen arabischen Regime – hat zur Unterdrückung der Palästinenser beigetragen und tut dies bis zum heutigen Tag, auch wenn sie gelegentlich die Not der Palästinenser beklagt.
Vorgetäuschte Souveränität
Es heißt, dass diejenigen, die nicht aus der Geschichte lernen, dazu verdammt sind, sie zu wiederholen. Wir kennen die Zweistaaten-Träumer. Und das Osloer Abkommen sollte all jenen als abschreckendes Beispiel dienen, die glauben, dass eine Abmachung von oben jemals zu einem dauerhaften Frieden führen könnte.
1993 schien endlich eine Einigung zwischen den Palästinensern und den Israelis erzielt worden zu sein. Jassir Arafat und Yitzhak Rabbin sprachen Hand in Hand von den ersten Schritten auf dem Weg zu einem palästinensischen Staat. Die „internationale Gemeinschaft“ lobte sich in höchsten Tönen und verkündete, dass nun Frieden auf Erden geschlossen worden sei. Rabin und Arafat erhielten sogar einen Friedensnobelpreis.
Aber von diesem Optimismus blieb nicht viel übrig. Die Installation einer Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), die von einigen „Linken“ als künftige Regierung für den entstehenden palästinensischen Staat gehalten wurde, war ein demütigender Verrat an der Sache der Palästinenser. Die Abkommen legalisierten faktisch die wichtigsten Landnahmen der zionistischen Expansion seit 1948 und begruben die Hoffnung, die nationale Enteignung zu revidieren und damit die Flüchtlingskrise zu beenden, die auf die ganze Region übergegriffen hat.
Anstatt die Grundlage für einen lebensfähigen palästinensischen Staat zu schaffen, haben die Abkommen der Palästinensischen Autonomiebehörde den vergifteten Kelch überreicht, die ghettoisierten Städte im Westjordanland und die Flüchtlingslager im Freiluftgefängnis Gazastreifen polizeilich zu überwachen. Die israelische herrschende Klasse konnte die Schaffung eines wirtschaftlich lebensfähigen, unabhängigen palästinensischen Staates nicht dulden und kann dies auch heute nicht tun.
Arafat wurde zu Israels oberstem Sicherheitsbeauftragten, was zum Verlust der Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde führte und sie unter Abbas zu einem bloßen Agenten des israelischen Imperialismus verkommen ließ. Die Verhaftung, Überwachung und sogar Hinrichtung der eigenen Leute war der Preis, den sie für einen bequemen kleinbürgerlichen Lebensstil und den Status als offiziell anerkannte Führung des palästinensischen Volkes bereit waren zu zahlen.
Unterdessen missachtete Israel weiterhin alle seine Verpflichtungen auf dem sogenannten gemeinsamen Weg zum Wohlstand. So bitter sind die Früchte eines solchen „Friedens“ und das ist es, was sich hinter dem Schlagwort der Zwei-Staaten-Lösung verbirgt. Der Versuch, eine reformistische Lösung des Konflikts zu finden, die sich auf Gipfeltreffen, Roadmaps und „Konsensbildung“ stützt, verewigt in Wirklichkeit einen Zustand ohne Lösung.
Das zionistische Projekt
Israel hat von Anfang an eine bewusste Politik der schleichenden Annexionen betrieben. Ergänzt wurde das natürlich durch großflächige Landnahmen unter dem Deckmantel des Krieges. Die vor fast sechzig Jahren von Syrien gestohlenen Golanhöhen zum Beispiel sind nach wie vor Teil von Israel.
Diese Politik hat die Region völlig umgestaltet. Heute befinden sich allein rund 60% des Westjordanlandes (Gebiet C) unter der direkten Kontrolle Israels. Der israelische Staat bestimmt weiterhin über Leben und Tod der Palästinenser: Er hat die absolute Kontrolle über die Wasserversorgung und die grundlegende Infrastruktur; er profitiert vom Absatzmarkt in den palästinensischen Enklaven; er schränkt die Möglichkeit von Baugenehmigungen ein oder lässt Gebäude einfach abreißen, um Platz für jüdische Siedlungen zu schaffen.
Der Großteil der „illegalen“ Bauarbeiten, die mit Hilfe der Israeli Land Association (ILA) durchgeführt werden, wird nachträglich genehmigt. Daneben ist es dem Jüdischen Nationalfonds (einer internationalen zionistischen Organisation) gelungen, den Palästinensern durch juristische Tricks ein Stück Land nach dem anderen zu entreißen.
Für den Erfolg des zionistischen Projekts war die Enteignung der Palästinenser absolut notwendig: die Verankerung von exklusiven ethnischen Privilegien für Juden und das Schüren von erbitterten Hass zwischen den Völkern. Dies hat es der herrschenden Klasse ermöglicht, die reaktionärsten Teile der israelischen Gesellschaft hinter sich zu versammeln und durch Schüren von Hysterie die klassenbewussten Elemente in Schach zu halten.
Kurz gesagt, die israelische herrschende Klasse war nie an der Schaffung eines lebensfähigen palästinensischen Staates oder überhaupt an Frieden im Nahen Osten interessiert. Die verschiedenen „Friedensprozesse“ waren eine diplomatische Fassade, die es der israelischen herrschenden Klasse ermöglichte, ihr Gesicht zu wahren. Die „internationale Gemeinschaft“ hat die ganze Zeit über weggeschaut.
Zwei-Staaten-Lösung revisited
Und dennoch sät Professor Chomsky Illusionen in eine Zwei-Staaten-Lösung. Sobald wir uns konkret anschauen, wie diese aussehen könnte, sehen wir, wie lächerlich dieser Vorschlag bleibt. Beispielsweise haben souveräne Staaten ein stehendes Heer. Würde Israel einem neugegründeten palästinensischen Staat die Möglichkeit geben, sein Gebiet zu schützen? Da anzunehmen ist, dass eine solche Armee von feindlichen Nachbarmächten finanziert und ausgebildet werden würde, bedeutet die Frage zu stellen, sie zu beantworten.
Würde die herrschende Klasse Israels einen wirtschaftlichen Konkurrenten an seinen Grenzen zulassen? Die Entwicklung Ost-Jerusalems, das einst als künftige Hauptstadt eines palästinensischen Staates vorgesehen war, deutet eindeutig auf das Gegenteil hin.
Nach jahrzehntelanger Landnahme und dem Bau von Siedlungen in und um die palästinensischen Viertel wurden die Stadtgrenzen von Ostjerusalem Jerusalem von 38 auf 108 Quadratkilometer erweitert. Den Palästinensern wurden Baugenehmigungen verweigert, was zu Überbelegung, steigenden Mietpreisen und der Abwanderung von schätzungsweise 60 000 Menschen in das Westjordanland führte.
Die zionistisch-fundamentalistischen Siedler gingen daraufhin in die Offensive. Sie zerstörten ganze palästinensische Viertel und konzentrierten sich dabei auf strategisch wichtige Gebiete, um die Altstadt für Palästinenser unzugänglich zu machen. All dies wurde von der israelischen Landbehörde (ILA) unterstützt und begünstigt. Bis heute arbeitet die ILA offen mit der Siedlergruppe Ateret Cohanim zusammen, die versucht, der Palästinensischen Community die Kontrolle über Sheikh Jarrah zu nehmen – ein Sachverhalt, der internationale Aufmerksamkeit erregt hat.
Trumps „Jahrhundertdeal“ hat den Prozess, der bereits im Laufen war, inzwischen abgesegnet: Jerusalem wird international als Hauptstadt Israels anerkannt. Was einst als potenzielles wirtschaftliches Zentrum für einen palästinensischen Staat vorgesehen war, wurde zu einer Siedlerdystopie für die Palästinenser.
Die Vorstellung, dass Israel den Wunsch haben könnte, sich aus dem Westjordanland zurückzuziehen oder zu den Grenzen von 1948 zurückzukehren, ist eine völlige Utopie. Was an Nationalstaatlichkeit ausgehandelt werden könnte, würde den Namen nicht verdienen: Es würde praktisch auf voneinander getrennte und ghettoisierte Stadtstaaten hinauslaufen. Und das inmitten von Groß-Israel, der dominanten Macht, die die Kontrolle über alles Lebensnotwendige hat (Wasser, Energie, Lebensmittel, Medikamente und medizinische Versorgung usw.).
Professor Chomsky, die Vorstellung, dass die westlichen Machthaber Israel für sein aggressives siedlerkolonialistisches Projekt zurechtweisen und die Initiatoren von Frieden und Versöhnung sein könnten, grenzt wirklich an Wahnsinn. Und haben nicht die letzten drei Jahrzehnte die Rolle der so genannten „vorübergehenden friedenssichernden Kräfte“ des westlichen Imperialismus im Nahen Osten offenbart, ebenso wie ihre Rolle beim blutigen Auseinanderbrechen Jugoslawiens?
Kurz gesagt: Die Zwei-Staaten-Lösung ist eine Illusion. Sollte diese einfältige „Lösung“ umgesetzt werden, wäre sie nichts weniger als ein neuerliches Rezept für Gewalt und Entwürdigung. Im besten Fall käme es zu einem ähnlichen Szenario wie in Nordirland. Auch dieses Beispiel zeugt von der Arroganz und Kurzsichtigkeit der Imperialisten. Sie haben keinen Frieden sondern Frankensteins Monster aus sektiererischer Gewalt geschaffen, das sich der Kontrolle der britischen herrschenden Klasse entzog, selbst als es für sie nicht mehr nützlich war. Jeder Versuch, Israel und Palästina neu aufzuteilen, würde ähnliche Resultate bringen.
Sind die blutigen Anfänge Israels vor 75 Jahren nicht ein tausendfacher Beweis für diese These? Andererseits gibt es niemanden, der so blind ist wie diejenigen, die sich weigern zu sehen.
Ein bi-nationaler Staat?
Nach Oslo begannen jedoch viele zu erkennen, wie „verrottet“ der Friedensprozess gewesen war. Viele linke Akademiker passten sich an wie Chamäleons und begannen, sich für die Idee eines binationalen Staates zu erwärmen: ein kapitalistischer Staat, der mehr oder weniger das gesamte Mandatsgebiet Palästina umfasst. Dahin soll Chomskys „kollabierende” Zweistaatenlösung letztlich führen.
Der verstorbene US-amerikanisch-palästinensische Akademiker Edward Said befürwortete diese Perspektive. In seinem Artikel „Truth and Reconciliation“ (Wahrheit und Versöhnung) prangert er den „Friedensprozess“ an, der keinen Frieden gebracht habe. „Meiner Ansicht nach hat der Friedensprozess die wirkliche Versöhnung aufgehalten, die geschehen muss, wenn der 100-jährige Krieg zwischen dem Zionismus und dem palästinensischen Volk beendet werden soll. Oslo hat die Voraussetzungen für die Aufteilung geschaffen, aber wirklichen Frieden kann es nur mit einem bi-nationalen israelisch-palästinensischen Staat geben.“
Der einflussreiche Historiker Ilan Pappe ist ebenfalls dafür bekannt, diese Idee zu vertreten. Pappe hat argumentiert, dass die Chancen für einen lebensfähigen palästinensischen Staat, ja sogar für dessen tatsächliche Gründung, gleich Null sind. Wie Said erkennt auch Pappe an, dass die Machtverhältnisse in der Region wenig Hoffnung auf palästinensische Souveränität zulassen würden. Daher müssen wir „das Narrativ ändern“ und unsere Energien auf den Kampf für einen binationalen Staat richten.
Diese Intellektuellen streben damit etwas ebenso Utopisches und Reaktionäres an. Auf kapitalistischer Grundlage hat die herrschende Klasse Israels kein Interesse daran, Millionen von Palästinensern den Zugang zu ihrem Staat zu ermöglichen. Ebenso sind die Palästinenser militärisch nicht stark genug, um diese Lösung zu erzwingen.
Die Ideologie der anhaltenden israelischen Besatzung, der Zionismus, hat sich historisch entwickelt und findet viele widersprüchliche Ausdrucksformen. Aber etwas, das ihn im heutigen Israel prägt, ist der Glaube, dass Eretz Israel das gelobte Land für die Juden ist, und zwar für die Juden allein; ein Heiligtum, das unter Verschluss gehalten werden muss.
Diese reaktionäre und rückständige Einstellung zu schüren, war von größter Bedeutung für die herrschende Klasse Israels. Einerseits soll die israelische Arbeiterklasse davon überzeugt werden, dass sie einem gemeinsamen Feind gegenübersteht und aktiv von den Expansionen und dem Landraub profitiert. Andererseits sollen die Palästinenser eingeschüchtert und ihnen eingebläut werden: Wir sind unbesiegbar, jeder Widerstand wird scheitern. Diese Sichtweise zielt darauf ab, die Klassenfrage auszuklammern und beide Völker unter ihrer eisernen Kontrolle zu halten.
Die Vorstellung, dass die israelische herrschende Klasse davon überzeugt werden könnte, die Grundlage ihrer Herrschaft zu untergraben, ist eher für Kindermärchen als für politische Perspektiven geeignet. Aber wenn wir unsere Vernunft für einen Moment außer Kraft setzen und annehmen, dass die „internationale Gemeinschaft“ die Zionisten zum Handeln gezwungen hat, wie würde dann ein solcher Staat aussehen?
Offen gesagt, würde dies zu einer Form von Apartheid führen. Das jüdische Nationalstaatsgesetz, das die Unterdrückung der Palästinenser in den Gesetzen des Landes festschreibt, würde massiv erweitert werden. Es gäbe kein Rückkehrrecht für die 5,9 Millionen offiziell anerkannten palästinensischen Flüchtlinge von 1948, die in die Region strömen, ganz zu schweigen von den Hunderttausenden, die nach dem Krieg von 1967 hinzukamen. Und so würde sich die Feindschaft zwischen den Völkern vertiefen und verstärken.
Viel wahrscheinlicher als ein binationaler Staat wäre es, dass die israelische herrschende Klasse Abkommen mit den reaktionären arabischen Regimen aushandelt, damit diese die Palästinenser selbst beaufsichtigen. Es gab sogar schon erste Diskussionen darüber, in denen von einem „Hamastan“ (Gazastreifen) für die Ägypter und einem „Fatahland“ (Teile des Westjordanlandes) für die Jordanier die Rede war. Obwohl keine ernsthaften Schritte in diese Richtung unternommen wurden, sollten wir auch in diesen reaktionären Staaten keine Illusionen haben.
Was an den Lösungen, die uns als „realistisch“ oder „praktisch“ verkauft werden, so bedauerlich ist – ob es sich nun um die Träume von einer Aufteilung handelt oder um jene von einem binationaler Staat –, ist, dass sie völlig an der Realität vorbeigehen. Sie erwarten, dass der Imperialismus ein Gewissen entwickelt, seine Fehler erkennt und sich selbst in einen Vorreiter für den Fortschritt im Nahen Osten verwandelt.
Revolutionäres Potential
In einem kürzlich geführten Interview mit Middle East Monitor äußerte sich Chomsky wie folgt: „Ein großer Teil der Diskussion über dieses Thema scheint mir am falschen Ende zu beginnen. Es ist meistens eine Debatte zwischen zwei Staaten und einem Staat, bei der die wichtigste Option, die lebendige Option, diejenige, die verfolgt wird, nämlich ein Groß-Israel, ausgeblendet wird.“ Die wichtigste Option wird von Professor Chomsky und Co. tatsächlich ausgeblendet.
Während diese Akademiker bei der UNO Reden halten oder Druck auf ihre Bourgeoisie ausüben, damit diese „es besser machen“, gehen die tatsächlichen revolutionären Entwicklungen in der Region – „die lebendige Option“ – an ihnen vorbei. Chomsky und Said haben schon immer jene Kräfte ignoriert, die die Situation von Grund auf verändern können. Ihr „Pragmatismus“ läuft auf wenig mehr als auf Pessimismus hinaus. Stattdessen stützen sie sich auf die Institutionen der so genannten internationalen „Gemeinschaft“, die der Zerstörung in der Region und darüber hinaus den Weg geebnet haben.
Diese linken Intellektuellen sprechen vom Frieden – Frieden, obwohl es auf kapitalistischer Basis keinen Frieden geben kann. Ein oder zwei kapitalistische Staaten, und seien sie noch so großzügig gegenüber den Palästinensern, sind keine Lösung. Solange Israel ein aggressiver imperialistischer Staat bleibt, wird es weiterhin unehrlich verhandeln und Frieden zu seinen eigenen Bedingungen verlangen.
Wir müssen ehrlich sein. Ohne eine revolutionäre Strategie, die darauf abzielt, alle unterdrückten Völker der Region zu vereinen, wird die Horrorshow unvermindert weitergehen. Ohne den Sturz des israelischen Staates, ohne die Beseitigung der giftigen Ideologie des Zionismus und ohne den Sturz der despotischen arabischen Regime, die zur Unterdrückung der Palästinenser beitragen, wird es keinen wirklichen Frieden geben.
Die Lösung liegt nicht darin, die gerechteste Grenzlinie zu ziehen oder die vollkommensten rechtlichen Institutionen zu erfinden, die über beide herrschen. Wenn wir uns ernsthaft mit dem Problem der nationalen Unterdrückung befassen, werden wir feststellen, dass es zwar seine Wurzeln in der Geschichte hat, aber durch die Wirtschaftskrise des Kapitalismus besonders akut wird.
Das zionistische Projekt beruht darauf, Arbeiter gegeneinander aufzubringen und die israelischen Arbeiter davon zu überzeugen, dass sie mehr mit ihren Herrschern gemeinsam haben, als sie mit einem gewöhnlichen Palästinenser je haben könnten. Für den Zionismus und die israelische herrschende Klasse ist es von entscheidender Bedeutung, dass die israelischen Arbeiter glauben, sie würden von der Unterdrückung der Araber profitieren – die in den Lehrbüchern entmenschlicht und mit reaktionär-religiösen Formulierungen zu ihren Todfeinden erklärt werden.
Nur eine sozialistische Revolution kann das gesamte verrottete Gebäude des Kapitalismus in der Region zum Einsturz bringen. Vom Iran bis Jordanien, von Ägypten bis zum Libanon und unter den Palästinensern selbst haben die Massen begonnen, sich zu erheben. Die Notwendigkeit eines massenhaften Kampfes, um Kapitalismus und Imperialismus zu stürzen, ist klar und deutlich zu vernehmen. Darin liegt der Schlüssel zu einer friedlichen Zukunft, die diesen Namen auch verdient.