Berlin: Verfassungsgericht kippt Mietendeckel - LINKE und DGB müssen Kampf organisieren!

Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel am 15. April für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Damit werden viele Berliner Mieterinnen und Mieter wieder tiefer in die Taschen greifen müssen, um sich eine Wohnung leisten zu können. DIE LINKE und die DGB-Gewerkschaften müssen jetzt in die Offensive! Von Alexander Kalabekow, funke.de.


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Die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Berlin ließ am 23. Februar 2020 die bestehenden Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen in der Hauptstadt per Gesetz deckeln. Diese Entscheidung betraf neun von zehn Mietwohnungen und war zunächst bis 2025 befristet. Ausgenommen waren alle Neubauwohnungen, die ab dem 1. Januar 2014 bezugsfertig wurden, sowie auch Sozialwohnungen mit Mietpreisbindung und Wohnungen in Wohnheimen.

Von den Senkungen in bestehenden Mietverhältnissen waren dem Senat zufolge rund 340.000 Wohnungen betroffen. Nach einer Umfrage der Sparkasse Berlin haben gerade mal 22 Prozent der Berliner ihre Mietkosten senken können. Zu dem haben Vermieter auf verschiedenen Wegen den Mietendeckel umgangen, wie der Wohnen-Senator Sebastian Scheel (DIE LINKE) berichtete.

Fünf Monate vor der Abgeordnetenhauswahl am 26. September ist nun das Vorzeigeprojekt der rot-rot-grünen Regierung und der LNKEN einkassiert worden. Dabei wurde der Mietendeckel breit befürwortet, denn die Mietpreise schießen in Berlin rasant in die Höhe. Zwischen 2008 und 2018 sind die Mietpreise bei Neuvermietung hier in Berlin um 104 Prozent gestiegen. So verwundert es nicht, dass selbst bei den CDU- und FDP-Wählern die Gegner des Mietendeckels in der Minderheit waren.

Bundesverfassungsgericht: Eine Säule des Kapitalismus

Und trotzdem haben 284 Bundestagsabgeordnete von FDP und Union die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht angestoßen. Die Abgeordneten hatten einen gemeinsamen Normenkontrollantrag gestellt. Demnach sollte geprüft werden, ob das Land Berlin überhaupt dazu berechtigt ist, gesetzlich in die Höhe der Mieten einzugreifen.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) veröffentlichte heute (15. April) ihren Beschluss per Pressemitteilung. Das Urteil wurde in ihrem Beschluss vom 25. März 2021 gefällt. Demnach ist der Mietendeckel insgesamt nichtig und mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil „der Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht in den §§ 556 bis 561 BGB abschließend geregelt hat“ und die Gesetzgebungsbefugnis deshalb ausschließlich beim Bund liege. Sprich die 2015 vom Bund beschlossene Mietpreisbremse, die kaum eine Wirkung zeigt, wie man an den dramatisch steigenden Mieten in ganz Deutschland und besonders in den Großstädten sehen kann, kann nicht durch gesetzliche Regelungen der Länder mit besser greifenden Maßnahmen ersetzt werden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein Schlag in die Magengrube für Millionen Berliner Arbeiter, Studierende und Rentner, die oftmals über die Hälfte ihres Einkommens als Miete zahlen oder gar nicht erst in die Verlegenheit kommen eine halbwegs angemessene Wohnung zu finden. Um das Wohl der Lohnabhängigen kümmert sich das Bundesverfassungsgericht, wie sich herausstellt, nicht. Überraschen sollte uns das Urteil jedoch keineswegs, denn das Bundesverfassungsgericht ist Teil des bürgerlichen Staates. Und der bürgerliche Staat hat vor allem eine Aufgabe: Das Eigentum und die Profite der Kapitalistenklasse zu sichern. So ist der Schutz des Privateigentums auch in der Verfassung verankert und eine zentrale Entscheidungsrichtlinie für die Gerichte. Das zeigt sich an dieser Stelle besonders deutlich.

Demokratie der Reichen

Lenin schrieb, dass der bürgerliche Staat und das Kapital durch tausende Fäden legaler und illegaler Korruption miteinander verbunden sind. Das können wir lebhaft in Bezug auf die Parlamentarier und ihre Parteien sehen: So flossen im vergangenen Jahr Großspenden in Höhe von 1,25 Millionen Euro aus der Immobilienbranche an die CDU. Allein der Berliner Immobilieninvestor Christoph Gröner spendete davon 800.000 Euro – wie kann das anders verstanden werden als eine Belohnung für den Normenkontrollantrag, den die Bundestagsabgeordneten an das BVerfG gestellt haben.

Den Lohnabhängigen, Studierenden und Rentnern fehlt das nötige Kleingeld, um die Parlamentarier zu bestechen, wie es die Lobbyverbände machen. Und sie haben auch nicht die wichtigen Beziehungen, welche die Spitzen der Parteien und die hohen Beamten, durch ihr Studium, ihre Mitgliedschaft in Verbindungen und dem Golf Club, zu den Kapitalisten haben. Der Arbeiterklasse bleiben diese Türen stets verschlossen. Deswegen können wir uns nicht darauf verlassen, dass unser „demokratischer“ Staat unsere Interessen gegen die Immobilienkonzerne durchsetzt, denn diese Demokratie ist wie man mal wieder sieht, eine Demokratie der Reichen.

Kapital im Freudentaumel

Dass dem so ist, zeigen die Reaktionen von Vermieterverbänden, Immobilienkonzernen und ihren politischen Vertretern. Sie gehen wieder in die ideologische Offensive. Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen und auch der Dachverband Zentraler Immobilien Ausschuss lassen die Champagner Korken knallen und mit ihnen die Konzerne. Nach Bekanntwerden des Urteils sind die Aktienkurse von Deutsche Wohnen um 6,8 Prozent auf ein Fünf-Monats-Hoch gestiegen, bei der Adler Group gab es einen Anstieg um 7,6 Prozent und auch der Kurs von Vonovia stieg um 2,9 Prozent. Die Anleger freuen sich auf steigende Dividenden, die sie aus den steigenden Mietkosten in ihre Taschen abführen werden.

Der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, ließ sich darüber aus, dass der Berliner Senat „die Mieterinnen und Mieter wider besseren Wissens für ein ideologisches Experiment missbraucht“ habe. Das sei ihm jedoch „gründlich misslungen“, frohlockte Föst. Daneben meinte der Berliner FDP-Chef Sebastian Czaja, dass es noch lange dauern würde, bis die Stadt sich von dem „künstlich herbeigeführten Konflikt zwischen Mietern und Vermietern erholt“ hätte – als seien nicht die viel zu hohen Mieten der Grund für den Konflikt.

Der Vorsitzende der Berliner CDU-Bundestagsabgeordneten, Jan-Marco Luczak, gab sich alle Blöße und meinte, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit seiner Entscheidung gezeigt hätte, dass „Ideologie … niemals der Verfassung vorgehen“ könne oder dürfe. Solche Aussagen zeigen, wes Lied diese politischen Blutsauger singen, wenn sie sicheren und bezahlbaren Wohnraum als Ideologie bezeichnen. Sein Parteikollege, der Berliner CDU-Vorsitzende und Spitzenkandidat für die Wahl zum Abgeordnetenhaus, Kai Wegner, setzte dem in demagogischer Manier einen drauf und meinte, dass der Senat die Berliner Mieter „mit seinem falschen Mietendeckel-Versprechen getäuscht“ habe. Den Vogel ganz abgeschossen hatte er, als er dem Senat den Schwarzen Peter dafür zusteckte, sollten Mieter nun auf Grund erneut steigender Mieten und Rückforderungen, ihre Wohnung verlieren. Dabei war es vorneweg seine eigene Partei, die einen entscheidenden Beitrag zum Sturz des Mietendeckels geleistet hat.

Ein anderer Demagoge der Unionsparteien, der Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) war ebenso äußerst erfreut, dass der Mietendeckel vom Verfassungsgericht gekippt wurde. Er wie auch viele andere versuchen den Mietendeckel gegen den Bau von Wohnungen auszuspielen und behaupten, dass die Deckelung das Wohnungsangebot ihn Berlin verknappt hätte, weil die Investoren dadurch kein Interesse am Bau oder der Instandsetzung von Wohnungen gehabt hätten. Damit sagen sie aber nur eins, nämlich dass die Privatwirtschaft überhaupt kein Interesse daran hat, den Bewohnern Berlins leistbare Wohnungen zu geben.

Deutsche Wohnen und Co. enteignen!

Deshalb ist es jetzt um so wichtiger, dass die Bewegung für ein Volksbegehren zur Vergesellschaftung großer Immobilienunternehmen in die Offensive geht. Nach dem der Mietendeckel nun Geschichte ist, muss die Kampagne umso selbstbewusster für die Enteignung eintreten. Dafür braucht es eine Aktionseinheit aus der Partei DIE LINKE und den Gewerkschaften des DGB. Denn wenn bereits der Mietendeckel mit solcher Vehemenz bekämpft wurde, dann wird die Initiative noch viel größeren Angriffen ausgesetzt sein.

Deshalb ist es völlig richtig, dass die LINKE in ihrer Pressemitteilung von heute Vormittag klarstellt, dass wir „die vom Volksentscheid ‚Deutsche Wohnen und Co. enteignen‘ geforderte Vergesellschaftung der Wohnungen großer Immobilienkonzerne vorantreiben“ wollen.

Massendemonstrationen und Mietenstreik in Berlin

Das erste muss dabei sein, dass Massendemonstrationen in Berlin organisiert werden. Heute findet eine spontane Demonstration in Berlin am Hermannplatz statt. Sie muss der Ausgangspunkt für eine breite Mobilisierung der Berliner Mieterinnen und Mieter sein. Denn wenn nun tatsächlich Rückforderungen von Mietkosten von den Vermietern verschickt werden, dann müssen die Mieter organisiert sein und sich kollektiv wehren können.

Es ist die Aufgabe der LINKEN zusammen mit den Gewerkschaften des DGB einen Mietenstreik zu organisieren, damit niemand auf sich allein gestellt ist und deshalb die Forderungen der Vermieter erfüllt, weil sonst der Mietvertrag gekündigt wird. Die Zahlungsforderungen werden dreistellige Beträge sein, das wird sich niemand ohne weiteres leisten können und für viele könnten solche Zahlungsaufforderungen existenzielle Folgen haben.

Es reicht nicht aus „weiter nach kreativen Möglichkeiten zu suchen und alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um in Berlin die Mieten zu drosseln.“ Damit solche Möglichkeiten nicht wieder durch die bürgerlichen Gerichte einkassiert werden, muss die LINKE in der Lage sein, Druck gegen den Staat und das Kapital auszuüben und dafür müssen sie die Lohnabhängigen mobilisieren.

Bundesweiten Kampf organisieren

In ihrer Stellungnahme nimmt die LINKE die Bundesregierung in die Verantwortung. Da das Bundesverfassungsgericht entschieden habe, dass ausschließlich der Bund Mietenpolitische Entscheidungen treffen könnte, müssten CDU und SPD „nun endlich handeln“. Dass wir dabei allen voran von der CDU nichts zu erwarten haben ist dabei klar. Deshalb stellt sich die Frage, wie kann ein Mietendeckel auf Bundesebene durchgesetzt werden?

Das geht nur mit einer nationalen Kampagne in allen Städten der Republik. Überall haben Lohnabhängige, Studenten und Rentner die gleichen Probleme: Sie können sich die Miete immer schwerer leisten und generell wird der Wohnraum knapp. Viele sitzen nach wie vor in Kurzarbeit, mussten Lohnkürzungen hinnehmen, haben ihren Arbeitsplatz verloren oder fürchten sich davor, die nächsten zu sein, die es erwischt.

Deshalb könnte eine große Kampagne für bezahlbaren Wohnraum und einen echten Mietenstopp mit einer spürbaren Senkung der Mieten, der Ausgangspunkt für den Kampf für eine sozialistische Gesellschaft werden. Dafür muss die LINKE in den Stadtteilen, an den Arbeitsplätzen und in den Gewerkschaften des DGB für eine solche Kampagne mobilisieren. Ansonsten werden Appelle, an die Parteien, die den Mietendeckel aktiv bekämpft oder zerlöchert haben – wie es die SPD und die Grünen in Berlin gemacht haben – keine Wirkung haben.

Die einzigen die den nötigen Druck ausüben können und die Immobilienkonzerne sowie die bürgerlichen Regierungen zum Handeln zwingen können, sind die Lohnabhängigen. Wir müssen uns jetzt auf die Kraft der Arbeiterklasse stützen und sie in diesem sogenannten Superwahljahr für einen Kampf gegen die Angriffe des Kapitals und für den Kampf für eine sozialistische Gesellschaft organisieren.

Wir brauchen

  • Massendemonstrationen in Berlin sowie bundesweite Massendemonstrationen!
  • einen Mietenstreik in Berlin!
  • eine offensive Kampagne für einen bundesweiten Mietendeckel!
  • einen Bundestagswahlkampf der LINKEN für die Vergesellschaftung von Grund und Boden sowie der Immobilienwirtschaft!

Vorwärts zum Sozialismus!

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