Die jüngsten Studentenproteste im Iran haben aufgezeigt wie wenig Rückhalt das islamische Regime nicht nur unter den Studenten und den Arbeitern sondern auch im Kleinbürgertum hat. Dieses Regime befindet sich in einem Prozess des Niedergangs. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann es zu Fall gebracht werden wird.
Ausgelöst wurde diese Bewegung durch die Pläne des Regimes die Studentenheime der Universitäten wie auch andere universitäre Dienstleistungen zu privatisieren und die Studiengebühren zu erhöhen. Diese Maßnahmen betreffen große Teile der Studentenschaft. Viele Familien könnten es sich nur noch schwer leisten, ihre Söhne und Töchter weiterhin an die Uni zu schicken, wenn diese Pläne umgesetzt würden.
Zahlenmäßig war diese Bewegung noch nicht so stark wie jene im Jahre 1999, was aber umso bedeutender ist, ist die Tatsache, dass diese Proteste gerade zu einem Zeitpunkt ausgebrochen sind, wo auch andere Teile der Gesellschaft, im speziellen die Arbeiterschaft, in den Kampf getreten sind.
Brutale Repression
Augenscheinlich war die brutale Reaktion des Regimes auf die Proteste, was zeigt, dass es sonst nicht mehr viel zu bieten hat. Das letzte Mal konnte es zumindest noch die Illusion liefern, die „Reformer“ würden schrittweise demokratische Reformen und Verbesserungen der Lebensbedingungen einführen. Für breite Schichten der Bevölkerung hat sich dies nun als leere Versprechung entpuppt.
Aus diesem Grund mussten sie diesmal auch die Ansaar Hezbollah und die Basij Milizen, (wie auch die Polizei) gegen die Bewegung einsetzen. Diese Kräfte sind die Treuesten unter den Getreuen und dem Regime bzw. seinem konservativen Flügel loyal untergeben. Diese Elemente haben eine gewisse Ähnlichkeit zu faschistischen Schlägerbanden und spielen die Rolle von Hilfstruppen des Regimes. Doch selbst diese Gruppen waren nicht ausreichend zum Niederhalten des Protests
Sind die Bedingungen einmal ausreichend herangereift und eine wirkliche Massenbewegung ist ins Laufen gekommen, dann können repressive Maßnahmen einen völlig gegenteiligen Effekt haben, als dies die Machthaber damit erreichen wollten. Solche Maßnahmen können einer Bewegung dann sogar noch eine zusätzliche Dynamik geben, weil die in die Bewegung involvierten Arbeiter und Jugendlichen zu politischen Schlussfolgerungen über den Charakter des Regimes gezwungen werden.
Wir können das sehr schön an einigen Zitaten von protestierenden Studenten aus dem Internet ablesen. Einer von ihnen beschreibt die Ereignisse in der Nacht vom 14. Juni. Die Studenten riefen regierungsfeindliche Slogans, dann entschieden sie sich dazu, vor dem Studentenheim zu protestieren, wo sie auf rund 100 Mann einer polizeilichen Sondereinheit trafen. Nach mehreren Stunden wurden sie am frühen Morgen von 600-700 Anhängern der Ansaar mit Unterstützung und Ausrüstung durch die Polizei brutal angegriffen. (Diese Information stammt von einem Artikel mit dem Titel The Blood of Iranians – Fighting our way to regime change, von Koorosh Afshar)
Alle müssen weg!
In Reaktion auf dieses brutale Vorgehen und als Resultat der Erfahrungen seit der Bewegung aus dem Jahre 1999 gehen die Forderungen der Studenten der breiten Öffentlichkeit über den Ruf nach „Reformen“ hinaus. In der Einführung zum oben angeführten Artikel finden wir an einer Stelle den Kommentar ein Studenten mit den folgenden Worten: „Nein zu Khatami, nein zu Khamenei, nein zu Rafsandjani...Für die völlige Trennung von Religion und Staat...für eine säkulare Demokratie...“ Tatsächlich schrie die Menge Losungen wie „Tod für Khamenei“ und „Schluss mit der islamischen Herrschaft“. Die Massen haben von diesem System genug. Ihre Loyalitäten zu jeglichem religiösen Glauben haben sich erschöpft. Das Regime repräsentiert die wohlhabenden islamischen Eliten, hat aber nichts für die Massen unternommen. Im Gegenteil, die Lage hat sich unter der Herrschaft der Mullahs weiter verschlechtert und nun beginnen die Menschen darauf zu reagieren.
Das Regime existiert völlig abgehoben von den Massen. Wichtiger als die genaue Anzahl derer, die jetzt auf die Straße gehen, ist der Charakter des gesamten Prozesses. Die Zahl der Proteste, die den Iran erschüttern, nimmt ständig zu. Daran beteiligen sich nicht nur Studenten sondern auch Arbeiter und Teile der städtischen Unterschichten. Seit 1999 sehen wir diese Zunahme an Protestbewegungen und es ist nur eine Frage der Zeit bis der Punkt erreicht ist, wo diese Massenbewegung nicht mehr zu stoppen ist. Selbst wenn die gegenwärtige Bewegung scheinbar ausläuft, so kann diese Ebbe nur eine temporäre sein. Schon jetzt herrscht Besorgnis vor, was am 9. Juli, dem Jahrestag der Bewegung von 1999, passieren könnte.
Die Ereignisse der letzten beiden Wochen wurden ausführlich berichtet, vor allem im Internet, und brauchen daher an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholt werden.
Sozialer und ökonomischer Niedergang
Es ist jedoch wert, diese Ereignisse in einen breiteren sozialen und ökonomischen Zusammenhang zu stellen und zu zeigen, was es für die Masse der Menschen bedeutet heute im Iran zu leben.
Würden wir uns nur darauf beschränken die Wachstumszahlen des BIP anzuschauen, dann könnte man sich leicht wundern, wo das Problem liegt. In den letzten beiden Jahren verzeichnete der Iran ein Wirtschaftswachstum von über 5% pro Jahr. Das Pro-Kopf-BIP war 2002 um 20% höher als vor 10 Jahren. Geht man in der Analyse jedoch tiefer, dann ergibt sich eine völlig andere Situation. In den 1970ern war das BIP 30% höher als jetzt! Daran lässt sich der langfristige Niedergang ablesen, der die eigentliche Grundlage für die jetzige Revolte darstellt.
Schaut man sich die ökonomische und soziale Situation genauer an, dann entpuppt sie sich als regelrechter Alptraum für große Teile der Bevölkerung. Die Inflationsrate beträgt 17%. Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei 18%, aber es ist weitgehend unumstritten, dass die realen Zahlen bei 22-23% liegen. Insgesamt sind rund 3,2 Millionen Menschen arbeitslos, und diese Zahl droht in den nächsten Jahren auf 7-8 Millionen anzuwachsen. Die iranische Bevölkerung ist eine sehr junge, und jedes Jahr werden rund 1,8 Millionen 18 Jahre alt. Jedes Jahr strömen 1 Million Jugendliche auf den Arbeitsmarkt, aber nur die Hälfte davon findet auch einen Job.
Dem Economist zufolge leben 15% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Der CIA geht jedoch von einer viel höheren Rate aus – nämlich von 56%! Wie auch immer die genaue Zahl lautet, es ist offensichtlich, dass ein großer Teil der Bevölkerung von der Hand in den Mund leben muss.
Einige andere Fakten runden dieses Bild ab. Selbst die „islamischen“ Autoritäten geben zu, dass über zwei Millionen Menschen im Iran Drogen nehmen. Jeden Monat kommen ein Dutzend Polizisten bei der Verfolgung drogenbezogener Kriminalität ums Leben. Mehr als 60% aller Verbrechen haben etwas mit Drogen zu tun.
Das Schicksal der Kinder im Iran ist besonders schrecklich. Es gibt selbst laut offiziellen Quellen mehr als 200.000 „Straßenkinder“, d.h. Kinder, die auf die eine oder andere Art und Weise dazu gezwungen sind, auf der Straße für ihr Überleben zu sorgen.
Die Position der Frauen, vor allem jener aus ärmeren Schichten der Gesellschaft, ist um keinen Deut besser. Unter der Herrschaft der Mullahs feiert die Geisel der Prostitution freudige Urständ. Einigen Berechnungen zufolge gibt es mindestens 300.000 Prostituierte. Dies erklärt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass 1,7 Millionen Frauen im Iran obdachlos sind. 2/3 davon bekommen keinerlei staatliche Unterstützung. Die Mullahs zeigen sich in dieser Frage überaus flexibel. Die Antwort ist das Phänomen der temporären Ehe, der sogenannten sigeh. Das ist eine Ehe mit einer vorher definierten zeitlichen Ablauffrist, die manchmal auch nur für einige Minuten andauern kann! Solange es sich also um eine registrierte temporäre Ehe handelt, spricht man nicht von Prostitution, und schon ist das Problem gelöst!
All dies vor dem Hintergrund einer rapiden Urbanisierung über die letzten 30 Jahre. Zehntausende Dörfer wurden im Zuge dessen verlassen, weil immer größere Teile der Bevölkerung in den Städten Arbeit suchen. 67% der 70 Millionen Einwohner des Iran leben nun in Städten. Teheran allein hat 10 Millionen Einwohner. Vor 30 Jahren war es nur zwei Millionen. Diese Urbanisierungswelle wurde aber nicht durch Verbesserungen im Wohnbau und bei der Infrastruktur begleitet.
Die Situation für junge Menschen im Iran ist daher tatsächlich eine verzweifelte. Die Bevölkerung im Iran ist wie gesagt extrem jung. 2/3 sind jünger als 30, 50% jünger als 20. Gerade auch junge Frauen streben unter diesen Bedingungen nach einer wichtigeren Rolle in der Gesellschaft. daran können auch die Versuche nichts ändern, die Frauen an den Herd zu verdammen. Letztes Jahr waren 63% der Studienanfänger weiblich. Immerhin 12% aller Erwerbstätigen sind Frauen, in einigen Sektoren stellen sie sogar die Mehrheit der dort Beschäftigten.
Eine neue Generation schlägt zurück
Es ist diese neue frische Generation, die nun an der Spitze dieser Protestbewegung steht. Es handelt sich dabei um eine derart große Masse, dass es dem Regime einfach nicht gelingen kann, das Unvermeidliche länger zu stoppen. Bereits 1999 wurden die ersten Zeichen dieser Unzufriedenheit offensichtlich. Das stellte einen wichtigen Wendepunkt in der ganzen Situation dar, auch wenn es nicht zu einem echten Regimewechsel kam. Was wir damals gesehen haben war der Anfang vom Ende für die Mullahs. (siehe dazu The First Shots of the Iranian Revolution, von Alan Woods).
Zu der Zeit hatten die Menschen noch Illusionen in die “Reformer” im Regime. Diese wurden als „liberale Reformer“ angesehen. Es war in der Tat das Versprechen nach Pressefreiheit und anderen demokratischen Rechten, welche die Studenten und andere Menschen, die der Herrschaft der Mullahs müde waren, dazu veranlasste, Mohammed Khatami 1997 bei den damaligen Präsidentschaftswahlen zu unterstützen.
Es war unvermeidlich, dass es nach solch einer langen Zeit der Unterdrückung (zwei Jahrzehnte) Illusionen in die Möglichkeit gradueller Reformen des Systems durch Persönlichkeiten à la Khatami gab. In der Geschichte gibt es aber nichts, was umsonst passieren würde. Die letzten Jahre seit den Präsidentschaftswahlen, einschließlich der wichtigen Ereignisse von 1999, haben ihre Spuren hinterlassen.
Kaum Unterstützung für die Mullahs
1998 erreichte Khatami in Meinungsumfragen noch Popularitätswerte von über 75%. Noch 2001, als Khatami wieder gewählt wurde, lag die Wahlbeteiligung bei 69%. Doch letzten August war Khatamis Unterstützung bereits auf 43% zurück gegangen. Tendenz weiter sinkend. Dieses Jahr wurden am 28. Februar Lokalwahlen abgehalten. Durchschnittlich lag die Wahlbeteiligung bei miserablen 25%. In Teheran gaben überhaupt nur 12% der Wählerschaft ihre Stimme ab. Auf der Grundlage einer derart niedrigen Beteiligung konnte der „konservative Flügel“ gewinnen und in vielen Stadträten die sogenannten „Reformer“ vertreiben.
In der Tat hat die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung jegliches Vertrauen in das Regime und speziell in die „Reformer“ verloren. In Teheran haben zwar die „Konservativen“ gewonnen, doch der populärste Politiker wurde nur von 4% der Wähler gewählt!
Das Problem mit den „Reformern“ ist, dass sie das System reformieren wollten ohne es grundlegend zu ändern. Ihre Sorge war nicht so sehr die Verteidigung der Interessen der Jugend, der Arbeitslosen, der Armen, der Arbeiter. Nein, was sie beabsichtigten, war die Unzufriedenheit zu kanalisieren und einige kleinere Zugeständnisse zu machen, um so zu vermeiden, dass eine echte Massenbewegung unvermeidlich das gesamte Regime zu Fall bringt. Um wirklich etwas verändern zu können, müssen die Massen mobilisiert werden. Und daran konnten die „Reformer“ kein Interesse haben.
Das Programm der "Reformer"
Das Wirtschaftsprogramm der „Reformer“ ist sogar noch um vieles schlimmer als jenes der sogenannten „Konservativen“. Es basiert auf der Idee weitreichender Privatisierungen und schwerer Einschnitte in das Sozialsystem. Dies ist deckungsgleich mit den Forderungen des Imperialismus nach mehr privat und weniger Staat sowie nach Sozialabbau im großen Stil. In der Tat sieht Khatamis „5-Jahres-Plan“ für die Jahre 2000-2005 Privatisierungen und Deregulierungen der Wirtschaft vor. Wenn man bedenkt, dass 60% der iranischen Wirtschaft noch immer staatlich kontrolliert sind und weitere 10-20% sich in den Händen staatsnaher Betriebe befinden, dann kann man sich ausrechnen, dass solche Vorschläge weite Schichten der Bevölkerung betreffen würden. Khatami plant den Verkauf von 538 staatlich geführten Unternehmen.
Die Umsetzung dieses Programm in vollem Umfang würde einen regelrechten Volksaufstand provozieren. Khatami ist sich dessen sehr wohl bewusst, was wohl auch erklärt, warum erst kürzlich all seinen „Marktprinzipien“ zum Trotz wieder 1,1 Mrd. US-Dollar zur Förderung von Unternehmen, die zusätzliche Beschäftigte einstellen, bewilligt hat. Dies geht den westlichen Kommentatoren natürlich gegen den Strich, die darin nur einen Versuch sehen, unrentable Betriebe künstlich über Wasser zu halten. Das Problem ist nur, dass die wirtschaftspolitischen Ratschläge des Westens praktisch nicht umzusetzen sind.
Wie gesagt, genau der Vorschlag der Privatisierung der Unis und die Einführung von Studiengebühren löste die jüngste Studentenbewegung aus. Was wir oben an ökonomischen und sozialen Daten aufgelistet haben, erklärt auch, warum diese Protestbewegung ein derartiges breites Echo in der Bevölkerung erhalten konnte.
Diese Bewegung ist noch nicht so groß wie jene von 1999, aber sie ist ein weiteres Beispiel dafür, dass es immer häufiger zu solchen Protesten kommt und dass immer weitere Kreise sich an solchen Bewegungen beteiligt sind. Am 13. Juni z.B. blockierten Tausende eine wichtige Stadtautobahn in Teheran und schwörten öffentlich gegen die “islamische Republik”. Und was sehr bedeutend ist, war die Tatsache, dass die Bevölkerung aus den benachbarten Wohngebieten sich sofort mit den Demonstranten solidarisierte.
Das Elend der iranischen Arbeiter
Diese Stimmung des Widerstands spiegelt die verzweifelte Situation vieler Arbeiter im Iran wider. Es gab bereits in der letzten Periode eine Vielzahl an Streiks und Protesten, speziell in der Frage nicht ausbezahlter Löhne. Ein Beispiel dafür passierte erst kürzlich in Isfahan in der Tedjarat Fabrik, bei Rahim Zadeh, Kohe Faht und Pars Fastony. Die Arbeiter in diesen Fabriken haben schon seit 6-8 Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Rund 1000 von ihnen organisierte am 17. März einen Protestmarsch zum Büro des Generalgouverneurs. Die staatlichen Behörden beantworteten diesen Aufmarsch mit brutaler Repression. 12 Arbeiter wurden verhaftet. Es gibt eine lange Liste an solchen Vorfällen, wo Arbeiter gezwungen sind, auf die Straße zu gehen, weil ihnen seit Monaten keine Löhne ausbezahlt wurden oder weil ihre Jobs in Gefahr sind.
Eines der berühmtesten Beispiele ist jenes der Textilarbeiter von Behshahr. Die Arbeiter dort organisierten einen Hungerstreik, weil ihnen ebenfalls seit Monaten keine Löhne bezahlt wurden. Im ganzen Iran sind davon rund 100.000 ArbeiterInnen betroffen, die zwischen 3 und 36 (!) Monaten keine Löhne mehr erhalten haben.
Genauso wie nun die Studentenbewegung sich über die Campuse hinweg ausgebreitet hat, so passierte es auch beim Arbeitskampf der Textilarbeiter in Behshahr. Am 15. Juni nach Beendigung ihres Hungerstreiks organisierten sie noch eine Demo in das Stadtzentrum von Behshahr. Immer mehr Menschen schlossen sich ihrem Zug an und es entwickelte sich eine echte Massendemo mit Tausenden Menschen, die gegen das Regime protestierten. Einmal mehr ging auch hier die Polizei brutalst vor.
Ein weiteres Beispiel kennen wir aus Isfahan, wo Augenzeugen zufolge 20-40.000 Menschen bei einer Demo den Sturz des Regimes forderten. Ähnliche Ereignisse wurden aus Städten wie Mashad, Khorram Abad und Shiraz berichtet.
In Arbeiterbezirken von Teheran kam es zu Protesten gegen enorme Preissteigerungen. Die Inflation nimmt tatsächlich beträchtlich zu und die normale Bevölkerung findet einfach kein Auskommen mehr. Einmal mehr reagierte der Staat auch hier mit brutaler Gewalt.
Solche Proteste werden mit Verschlechterung der ökonomischen Situation weiter zunehmen. Der Iran ist extrem abhängig von Erdölexporten. Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft machen rund 80% aller Exporte 40-50% des gesamten Staatshaushaltes aus. Mit den sinkenden Ölpreisen am Weltmarkt wird die iranische Zahlungsbilanz negativ werden. Dies wird das Regime weiter unter Druck setzen und die Basis für weitere Massenproteste legen.
Mullahs sind erschrocken
Worauf wur bereits mehrfach hingewiesen haben, ist die brutale Reaktion des Regimes auf diese Proteste der Studenten. Alle Kommentatoren sind der Meinung, dass diese Bewegung viel kleiner ist als jene von 1999. Trotzdem reagiert das Regime derart hart. Dies lässt sich nur dadurch erklären, dass das Regime Angst davor hat, dass sich diese Bewegung weit über die Unis hinaus in die bereits von Unruhen erschütterten Arbeiterbezirke ausbreiten könnte. Dort gibt es derart viel brennbares Material, dass schon der kleinste Funken ein Feuer entfachen könnte.
Mit der Illusion nach “Reformen” lässt sich diese Bewegung nicht mehr zurückhalten. Deshalb bleibt dem Regime nur noch Repression. Eine echte Massenbewegung kann aber mit reiner Repression nicht gestoppt werden. Einige Kommentatoren haben angemerkt, dass das Regime auf 400.000 Mann starke inoffizielle Milizen zählen kann. Dabei wird aber gerne vergessen, dass schon die SAVAK, die gefürchtete Geheimpolizei des Shah bis zu dessen Sturz im Jahre 1978 durch eine Massenbewegung als die mächtigste in der gesamten Region galt. Die SAVAK scheute nicht einmal davor zurück, aus Hubschraubern das Feuer auf Demonstranten zu eröffnen. Doch solche Methoden schützten das Regime nicht vor dem Zorn der Massen, sobald diese entschieden in Bewegung traten. Das gleiche Schicksal erwartet nun die heutigen Sicherheitskräfte und die inoffiziellen regierungstreuen Milizen.
Spaltung in der Führung
Die Schwäche des gegenwärtigen Regimes kann anhand der Spaltung an seiner eigenen Spitze abgelesen werden. Erst vor kurzem unterzeichneten 250 Universitätsprofessoren einen Brief, in dem Khamenei aufgefordert wird, sich von der Vorstellung zu verabschieden, er sei der Stellvertreter Gottes auf Erden. Er solle akzeptieren, dass er den Menschen rechenschaftspflichtig ist. Unter den Unterstützern dieser Initiative waren zwei Mitarbeiter von Khatami. Im Mai forderten 127 Abgeordnete von Khamenei Reformen, bevor das ganze Establishment und die Unabhängigkeit und Integrität des Landes in Gefahr geraten“.
Das bedeutet, dass ein Teil des Regimes die Befürchtung hat, die Bewegung könnte außer Kontrolle geraten und zum Sturz der gesamten herrschenden Ordnung, egal ob Konservative oder Reformer, führen. Aber diese frommen Herren kümmern sich nie und nimmer um die Bedingungen der Massen. Ihr Ziel ist es, den Deckel ein wenig zu heben, um Dampf abzulassen, bevor alles in die Luft geht. Sobald im Iran aber einmal die Zügel locker gelassen wurden, wird dies ein Signal für die Massen sein, weiter zu gehen und sich nicht mit ein paar Zugeständnissen abspeisen zu lassen. Die Probleme der Menschen im Iran sind zu groß und zu dringlich, als dass sie auf bessere Zeiten warten können.
Bis vor nicht allzu langer Zeit gab es noch Illusionen, eine Art Demokratie ware nahe. Die Forderungen der Bewegung waren geprägt von diesem Bewusstseinsstand. Mittlerweile appellieren die Menschen nicht mehr an Khatami. Sie fordern auch seinen Sturz, zusammen mit dem gesamten verrotteten Regime. Es ist bezeichnend, dass nun ganz klar die Losung nach Trennung von Kirche und Staat erhoben worden ist.
Die nächste Stufe
Das zeigt, dass die Bewegung einen Schritt vorwärts gegangen ist. Das Problem liegt nur darin, dass die Bewegung bisweilen noch sehr unorganisiert war und keinen klaren Referenzpunkt hatte, dass keine Massenpartei entstanden ist, die imstande wäre alle Kräfte, von den Arbeitern über die Studenten bis zu Teilen des Kleinbürgertums usw., zu vereinen. Diese Stufe fehlt noch.
Es ist nicht genug den Sturz des Regimes oder die Trennung von Moschee und Staat zu fordern. Diese Forderungen werden von MarxistInnen natürlich unterstützt, es ist aber wichtig, weiterzugehen und die Arbeiter und Jugendlichen im Iran zu warnen. Es ist klar, dass die sogenannten „liberale“ bürgerlichen Politiker sich darauf vorbereiten im Iran zu intervenieren. Die alten Unterstützer des Shah versuchen mittels ihrer Satelliten-TV-Kanäle ebenfalls wieder ein Bein in den Iran zu setzen.
Die Regierung Bush in den USA wird diese Versuche ganz klar unterstützen. Sie wollen auch im Iran einen „Regimewechsel“, der ein proamerikanisches Regime an die Macht bringen soll. Sie wollen diese sich entwickelnde Massenbewegung ausnützen und das jetzige Regime durch eine ihr genehme Marionettenregierung ersetzen. Damit lässt sich auch der Druck auf den Iran in der Frage der Atomwaffenproduktion erklären. In diesem Punkt legt auch die EU ihr Gewicht in die Waagschale und fordert eine Inspektion des Militär- und Atomarsenals des Iran. Damit signalisieren sie einigen führenden Köpfen des jetzigen Regimes, dass sie nach der Pfeife des Westens tanzen sollen oder es droht ihnen das gleiche Schicksal wie dem Irak.
Die Jugend des Iran hat dieses Spiel durchschaut und sich ganz klar von Bush distanziert, als dieser “Unterstützung” für die Bewegung bekundet hat. Es ist eine Tatsache, dass Bush das Wirtschaftsprogramm der „Reformer“ unterstützt. Mit anderen Worten, er steht für die Politik, die die Studenten nun bekämpfen. Diese sind gegen Privatisierung und Einsparungen. Bush steht genau für diese Maßnahmen.
Die Lösung für die Probleme der iranischen Arbeiter und Jugendlichen kann kein liberaler bürgerlicher Politiker bieten und schon gar nicht jene aus dem kapitalistischen Westen. Worum es jetzt im Iran geht, ist die Koordinierung der verschiedenen Kämpfe und deren Vereinigung unter einem gemeinsamen Banner. Das heißt, die Arbeiter müssen sich in den Betrieben in Aktionskomitees organisieren. Die selbe Aufgabe stellt sich an den Unis und in den Arbeitervierteln. Hier sollten Delegierte zu größeren Koordinationskomitees gewählt werden. Auf dieser Grundlage könnten die Arbeiter und Jugendlichen ein Programm entwickeln und über die nächsten Schritte der iranischen Revolution entscheiden.
Die Bürgerlichen erheben die Forderung nach Privatisierungen. Diese Komitees sollten sich ganz klar gegen diese Privatisierungspolitik wenden. 60% der Wirtschaft sind bereits in staatlicher Hand, aber sie funktionieren im Interesse der Clique rund um die Mullahs. Im Gegensatz dazu sollten die Aktionskomitees Arbeiterkontrolle und –verwaltung dieser Industrien fordern. Der Iran ist ein potentiell sehr reiches Land mit einer sehr gut ausgebildeten Arbeiterklasse. Wären die Ressourcen des Landes unter ihrer Kontrolle, dann könnte die Geisel der Arbeitslosigkeit beseitigt werden. Dann könnten alle mit Wohnungen und Jobs versorgt werden. Und das Bildungssystem wäre für alle frei zugänglich.
All das wäre möglich, wären die Arbeiter an der Macht. Ein erster Schritt um dieses Ziel zu erreichen, wäre ein Generalstreik der Arbeiter, Studenten und kleinen Kaufleute. Könnten all diese Kräfte gebündelt werden, dann wäre das Regime machtlos. Solange die Proteste nur sporadisch und in den einzelnen Städten, in den einzelnen Fabriken und Unis isoliert bleiben, kann das Regime die Proteste unter Kontrolle bekommen und die Arbeiter und Jugendlichen mit Repression terrorisieren. Wäre die Bewegung jedoch koordiniert und verallgemeinert, dann hätte dem Regime die letzte Stunde bald geschlagen. Das passierte auch dem Shah, und es kann wieder so ablaufen.
Die Rolle der iranischen Kommunisten
Um dies zu erreichen, müssen aber die Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden. Bleibt die Bewegung unkoordiniert, dann kann sie von anderen Kräften instrumentalisiert werden. Das spielte das letzte Mal den Mullahs in die Hände. Durch die Politik von Organisationen wie der Tudeh, der Iranischen Kommunistischen Partei, deren Führer damals Khomenei als „fortschrittliches“ Element präsentierten, wurde den Mullahs im Zuge der Iranischen Revolution in die Hände gespielt. Die Kommunisten zahlten einen teuren Preis für diese Unterstützung der Mullahs. Sie gaben den islamischen Fundis linken Flankenschutz, was diese nutzten, um die Massen reinzulegen. Im Anschluss daran wurden die Kommunisten in die Wüste gejagt und brutal verfolgt. Viele ihrer Mitglieder kamen in den Folterzellen des islamischen Regimes ums Leben.
Es gibt innerhalb der iranischen Bourgeoisie keinen “fortschrittlichen Flügel”. Die bürgerlichen und royalistischen Elemente im Exil haben nichts fortschrittliches an sich. Die wollen nur die Lage ausnutzen und einmal mehr ihre eigenen Interessen auf dem Rücken der iranischen Massen durchsetzen.
Der Iran hat eine lange Geschichte des Klassenkampfes, und auch eine lange kommunistische Tradition. Viele junge Arbeiter und Studenten, die nun die Bühne der Geschichte betreten, werden sich auf die Suche nach dieser vergangenen Tradition machen. Sie werden nach genuinen marxistischen Ideen Ausschau halten. Schon jetzt haben die Tudeh und andere kommunistische Gruppen, allen voran die Worker Communist Party of Iran Zellen, die im Iran aktiv sind sowie viele Mitglieder im Exil. Die MarxistInnen begrüßen das Wachstum und die Entwicklung solcher kommunistischer Organisationen im Iran. Es ist aber notwendig, Bilanz zu ziehen und eine korrekte Programmatik, Strategie und Taktik zu entwickeln. Wiederholen wir nicht die Fehler der Vergangenheit, indem wir wieder sogenannte „fortschrittliche Elemente“ in der bürgerlichen Klasse suchen. Die Arbeiterklasse an der Spitze aller anderen unterdrückten Schichten der Gesellschaft wäre eine Kraft, die niemand stoppen könnte. Die kommunistische Bewegung sollte diese Orientierung haben und die Arbeiter davor warnen, den „Reformern“ oder liberalen Politikern zu vertrauen. Kein Vertrauen in die Bürgerlichen. Wir können nur auf unsere eigenen Kräfte zählen.
Die Arbeiter und Jugendlichen im Iran haben von der Geschichte jetzt eine weitere Chance geboten bekommen. Nutzen wir sie.